Antarktis - Südamerika 2011

Reise zu den Pinguinen

„Jeder, den es in die Antarktis zieht, spürt eine gewaltige Anziehungskraft, eine unvergleichliche Mischung aus Erhabenheit, Schönheit, Weite, Einsamkeit und Feindlichkeit – Begriffe, die jeder für sich schrecklich melodramatisch klingen – die aber das tatsächliche Gefühl für die Antarktis wirklichkeitsgetreu wiedergeben. Wo sonst in der Welt treffen alle diese Beschreibungen wirklich zu?“

Kapitän T. L. M. Sunter in „The Antarctic Century Newsletter"

Chris hatte einen Traum und den wollte er unbedingt eines Tages verwirklichen. Dieser Traum führte uns auf einem Schiff ins ewige Eis. Einmal wollte er Pinguine in freier Natur auf dem Eis erleben, das Meer schmecken, Albatrosse und Sturmvögel hinter dem Schiff herfliegen sehen, die endlose Weite und Stille des ewigen Eises in seiner ganzen Schönheit spüren sowie haushohe himmelblaue Eisberge an sich vorüber gleitensehen.
Schon während unserer Südamerikareise 2007 wäre er zu gerne in die Antarktis gefahren, aber da hätte er mich um nichts auf der Welt auf ein Schiff bekommen, noch dazu auf eins, das in die stürmischsten Gewässer der Welt fahren würde. Aber mit der Zeit  änderte ich meine Meinung, denn irgendwie steckte er mich mit seiner Sehnsucht an. So verdrängte ich meine Ängste und willigte in dieses Abenteuer ein.
Zuerst suchten wir natürlich nach einer passenden Agentur, denn die Antarktis kann man ja nicht so einfach selbstständig bereisen. So durchforsteten wir das Internet nach einem guten Reisepartner. Mit Leguan Reisen hatten wir einen erfahrenen, seriösen und absolut verlässlichen Anbieter gefunden. So nahm der Gedanke nach und nach Gestalt an.
Von jetzt an ging es mehr um solche Dinge wie, welches Schiff wäre für uns das Beste und vor allem welche Reise zu welchem Zeitpunkt würde am besten zu uns passen. Aber auch darin waren wir uns schnell einig, denn wir wollten unbedingt die Königspinguine sehen. Dafür kam nur eine Reise mit dem klangvollen Namen "Auf den Spuren von Sir Ernest Shackleton" in Frage. Das war natürlich die längste Tour, die uns über die Falklandinseln nach Südgeorgien zu den Königspinguinen und weiter über Elefant Island in die Antarktis bringen würde. Bei dem Schiff war uns wichtig, dass es maximal 100 Personen an Bord haben und auf keinen Fall ein Kreuzfahrtschiff sein sollte. So entschieden wir uns für die Polar Star, einen Eisbrecher. Und ehrlich - eine bessere Wahl hätten wir nicht treffen können!
Natürlich hatte ich einen Wahnsinns Respekt vor so einer langen Schiffsreise und deshalb war es mir wichtig, für den Fall von Seekrankheit auch die richtigen Medikamente dabei zu haben. Für den sofortigen Einsatzholten wir uns Superpep Reise Kaugummi-Dragées mit dem Wirkstoff Dimenhydrinat. Diese Kaugummis helfen sofort, denn der Wirkstoff geht über die Schleimhaut. Desweiteren ließen wir uns Scopoderm TTS Pflaster verschreiben. Diese Pflaster klebt man sich hinter das Ohr, dort lässt man es für 72 Stunden, solange wird der Wirkstoff abgegeben. Für einen ganz heftigen Fall von Seekrankheit ließen wir uns noch VomexA-Zäpfchen verschreiben. Nun waren wir zumindest gegen die Seekrankheit relativ gut gewappnet und ich fühlte mich etwas wohler.
Jetzt kam noch die Frage nach der Kleidung und Ausrüstung, denn für die Antarktis braucht man warme und funktionsfähige Kleidung. Auch hier trafen wir eine gute Wahl und fanden in der Firma Salewa den besten Ausstatter. Die Kollektion von alpineXtreme pro entsprach perfekt unseren Anforderungen und so erwarben wir leichte und funktionsfähige Kleidung, die sich sehr auf unserer Tour bewährt hat. Mit Thermounterwäsche - über einen leichten warmen Pulli - bis zur wasser- und winddichten Hose sowie Überjacken waren wir nun bestens ausgestattet.
An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal ganz herzlich für die Hilfe bei der Ausstattung und das Entgegenkommen der Firma Salewa bedanken.
Diesmal fiel das Kofferpacken noch etwas schwerer als sonst, neben der warmen Kleidung mussten wir nun auch noch an Sommersachen und Campingausstattung denken, denn nach der Antarktistour wollten wir noch mit unserem liebgewonnenen Camper Bulli von 2007 vier Wochen durch Patagonien fahren. Uns reizten natürlich die schönsten Gebiete wie der NP Torres del Paine, der Perito Moreno und der Fitz Roy. - So plante ich eine gemütliche Tour mit relativ viel Zeit für die einzelnen Etappen ein.
Unsere Flüge buchten wir über die Air France, denn 2007 hatten wir nur positive Erfahrungen mit dieser Fluggesellschaft gemacht. Wir bekamen einen Premium Economy Flug für nur unwesentlich mehr Geld als den normalen Economy Flug und durften deshalb auch 2x23 kg mitnehmen.
Irgendwann war alles geplant, verstaut, und der Tag der Abreise rückte näher. Unsere Anspannung und Aufregung stieg fast ins Unermessliche, denn ein Wahnsinns Abenteuer lag vor uns. In meiner Aufregung machte ich sicher alle verrückt, aber so eine Reise unternimmt man ja nicht alle Tage.
Freitag, 19.11. - Samstag, 20.11.2010
1. - 2. Tag
Am Freitag war es dann soweit. Wir hatten uns beide den Tag frei genommen, denn wir wollten noch einmal mit unseren Katzen ausschlafen und sie so oft wie möglich streicheln.
Um 15.15 Uhr sperrte ich die Wohnungstür hinter uns zu. Vollbeladen mit 4 Gepäckstücken, 2 prall gefüllten Fotorucksäcken, einem Laptop und eine Handtasche fuhren wir los zum Flughafen. Über den PC hatten wir uns schon Tickets ausgedruckt, so durften wir gleich an einen freien Schalter der Air France gehen. Die Dame vom Bodenpersonal nahm unsere vier Gepäckstücke an und interessierte sich überhaupt nicht für unsere Handgepäckstücke. Dafür schwatzte sie uns eine Flying Blue Karte auf, denn sie meinte, dass wir alleine mit den Südamerika Flügen so viele Meilen sammeln würden, dass wir schon fast kostenlos nach Paris kämen. Klar waren wir sofort überredet und füllten schnell zwei Anträge aus.  
Danach verabschiedeten wir uns von Chris Mutti, die uns wie immer zum Flughafen gebracht hatte. Der Abschied fiel uns sehr schwer, denn irgendwie hatten wir alle einen Kloß im Hals. Natürlich hatten wir mit unserer Aufregung auch Chris Mutti angesteckt und so floss die eine oder andere Träne.
Wir wanderten noch etwas durch den Flughafen, futterten einen Wrap (ich) und einen MacRib (Chris) bei Mac Donald und gingen um ca. 17 Uhr zur Sicherheitskontrolle. Zum Glück war nicht viel los. Wir wuchteten unsere Handgepäckstücke auf das Band. Dann gingen wir durch. Die Dame von der Sicherheitskontrolle grinste mich an und meinte: „Na, sie wissen sicher was jetzt kommt.“ Ich grinste zurück und wir machten brav unsere Fotorucksäcke auf, ließen sie durch alle Linsen und Kameras schauen. Auch die Sprengstoffkontrolle ergab natürlich nichts und schon bald warteten wir auf unseren Flieger nach Paris.
Der Flug verlief schnell und ruhig. Auch in Paris fanden wir uns gleich wieder zurecht und waren schon bald auf dem Weg zu unserem Terminal 2E. Auch hier mussten wir wieder durch die Sicherheitskontrolle. Die Zöllnerin nahm es sehr genau - so durften wir jede einzelne Linse herausnehmen und einzeln durch den Scanner laufen lassen. Das dauerte etwas, aber wir hatten ja genug Zeit, denn unser Flieger würde erst 23.40 Uhr nach Buenos Aires starten. Als wir um ca. 21 Uhr am Gate ankamen, stand unser Flieger eine Boing 777-300 schon bereit. Wir lasen noch ein wenig in unseren Büchern und warten, bis dann sehr pünktlich der Boarding Aufruf für unseren Flug kam.
Wir durften uns in die Reihe der Business Klasse einordnen und kamen uns ein wenig komisch vor. Über einen separaten Eingang gingen wir an Bord, vorbei an den noblen Klassen mit Schlafledersesseln und viel Platz. Unsere Klasse lag direkt vor der Economy. Die Anordnung der Sessel war 2-4-2. So hatten wir etwas mehr Platz und etwas kleinere Sitze aus Vollplastik, wie die in der Business Klasse. Zuerst sah es ja ganz bequem aus, aber die Stühle waren einfach nur unbequem. Die Lehnen konnte man überhaupt nicht verstellen, nur mit dem gesamten Sessel etwas runter rutschen. Das brachte rein gar nichts und so quälten wir uns relativ schlaflos durch die Nacht. Wenigstens liefen ein paar nette Filme. So schauten wir uns Eclipse Teil 3 und die Neuverfilmung von Robin Hood an.
Ein wenig mussten wir doch noch eingeschlafen sein, denn die Nacht verflog ziemlich schnell und schon bald bekamen wir ein Frühstück serviert. Nach 11500 km und ca. 13 Flugstunden landeten wir um ca. 9 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen von Buenos Aires.
Wir hatten Glück, das der nationale Flughafen gerade renoviert wurde und so mussten wir nur innerhalb des internationalen Flughafens das Gebäude wechseln.
In Buenos Aires hatte es hochsommerliche Temperaturen, die Sonne schien und leicht bekleidete Menschen liefen geschäftig über das Flughafengelände. Wir wechselten das Flughafen-Gebäude und standen wieder einmal in einer Schlagen vor einem Schalter. Dort wurden wir auf einen Flug eher gebucht und mussten uns beeilen, denn in ein paar Minuten begann das Boarding.
Als wir schon im Flieger saßen, wurde ich noch einmal aufgerufen und musste nach vorne zu den Stewardessen gehen. Sie fragten nach unserer Alukiste und ich hatte schon Angst, dass wir wieder von Bord müssen. Irgendwie waren den Sicherheitsleuten unsere Optiken und  Akkus  nicht geheuer, aber nachschauen wollte niemand. Zum Glück klärte sich alles schnell und wir konnten wieder Platz nehmen.
Um 11.25 Uhr startete der Flieger (Argentina Austral) bei Sonnenschein und Wärme. Fluffige Schäfchenwolken lagen unter uns und türkises Meer leuchtete zu uns herauf. Doch je näher wir Feuerland kamen, desto schlechter wurde das Wetter. Die Wolken wurden immer grauer und dichter. Nur ab und zu konnten wir eine Bergspitze oder etwas Land unter uns sehen. Auch der Wind nahm immer weiter zu, so wurde unsere Maschine ganz schön durchgeschüttelt.
Die Zeit vertrieben wir uns mit dem Hören von Tommy Jauds „Resturlaub“. Da wir keine Ahnung von der Geschichte hatten, waren wir schier sprachlos, als der Held in Buenos Aires landete und versuchte sich dort durchzuschlagen. Viel zu schnell verging die Zeit und schon befanden wir uns im Landeanflug auf Ushuaia. Bei dem heftigen Wind lenkte ich mich mit Fotografieren ab, aber es war fast unmöglich ein gescheites Bild zu machen, so sehr wurden wir durchgeschüttelt.
Nach 3,5 Stunden Flugzeit landeten wir bei einem stürmischen Sonne-Wolkenmix auf dem Flughafen von Ushuaia. Natürlich waren wir wieder einmal fast die Letzten, die ihr Gepäck bekamen, aber so konnte ich ein wenig von dem Gewusel in mich auf nehmen und schaute mir die Leute genau an. Ein paar Gesichter kannte ich schon von unserem Paris-Buenos Aires Flug. Irgendwie waren wir alle ziemlich gleich gekleidet mir Trekkingklamotten und Wanderschuhen, denn nach Ushuaia kam man ja auch nicht für einen Stadt- oder Erholungsurlaub.
Mit einem Taxi fuhren wir zum Hotel „Alto Andino“, das uns gleich auf den ersten Blick sehr gut gefiel. Es war klein und übersichtlich. An der Rezeption saß Mercedes, mit der wir uns auf Anhieb super verstanden. Sie liebt auch das Fotografieren und so hatten wir gleich ein gemeinsames Thema gefunden.
Unser Zimmer für die nächsten zwei Nächte lag Parterre. Es war groß und geräumig mit einem sehr schönen Bad. Leider konnten wir die Vorhänge nicht öffnen, denn ein riesiges Hostel versperrte uns die Sicht, aber wir wollten ja eh nur nachts im Zimmer sein und tagsüber die Stadt erkunden.
Der Frühstücksraum lag dafür umso genialer, denn er überragte das Hostel und so hatten wir freie Sicht auf den Hafen und die umliegenden Berge. Dort holten wir uns unseren oberleckeren Welcome-Drink, einen Sekt mit pürierten Pfirsichen und genossen das noble Leben als Hotelgast mit Blick über den Hafen. An „unserem“ Pier lagen auch schon ein paar Schiffe. So konnten wir einen Eisbrecher und ein Luxusschiff erkennen.
Nachdem wir uns in unserem Zimmer etwas eingerichtet hatten, hielt uns nichts mehr und wir mussten die Stadt erobern. Doch zuerst zog es uns magisch in den Hafen. Auf das Hafengelände kommt man nur über eine Sicherheitskontrolle und da gerade Schiffe angelegt hatten, kamen wir ohne Probleme durch den Sicherheitsbereich. Staunend standen wir vor einem Eisbrecher und einem Luxuskreuzfahrtschiff und hatten schon ein wenig Herzklopfen, denn in zwei Tagen würden wir hier an Bord gehen.
Das Wetter war so richtig „aprilmäßig“. Schien gerade noch die Sonne und ließ uns schwitzend die Jacken öffnen, kam im nächsten Augenblick eine dicke Wolkenfront und ließ uns schlotternd die Kragen hochstellen. Die Wolken wurden immer dunkler und dann fing es auch noch an leicht zu regnen, dazu wehte ein stürmischer Wind. Trotzdem schien immer noch die Sonne. Durch diesen Wettermix entstand ein toller Regenbogen, über dem Hafen.
Immer wieder ging uns das Lied „Somewere over the rainbow“ durch den Kopf. Kurz darauf verschwand die Sonne in den Regenwolken und der Himmel öffnete seine Schleusen. Wassermassen rauschten auf uns herab, so suchten wir Zuflucht in einem Supermarkt und kauften dort ein paar Dinge für die nächsten zwei Landtage ein. Zurück im Hotel waren wir pitschnass und froren. Hier gab es erst einmal eine heiße Dusche.
Eine Stunde später hatte sich das Wetter verzogen und die Sonne schien wieder. Ein leichtes Grummeln in unseren Mägen erinnerte uns daran, dass wir fast den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten und so beschlossen wir, in ein gutes Restaurant zu gehen. Im Hotel wurde uns das Restaurant „Tante Nina“ empfohlen und so wanderten wir mal wieder zum Hafen. Das Restaurant hatte zwar einen typischen Hotelcharakter und die Atmosphäre wirkte etwas kalt auf uns, aber wir bekamen einen schönen Tisch an der riesigen Fensterfront mit fantastischem Ausblick auf den Hafen, wo gerade warmes Sonnenlicht die Schiffe beschien und unzählige Wasservögel kreisten.
Das Essen war teuer aber sehr lecker. Wir bestellten als Vorspeise ‚Königskrabben natur’, eine Spezialität in dieser Gegend. Die Portion war groß und es schmeckte köstlich. Auch unsere Hauptgerichte waren super. Ich ließ mir Hecht mit Shrimp-Sauce schmecken und Chris verspeiste Rinderfilet Medaillons. Leider war für eine Nachspeise überhaupt kein Platz mehr.
Eigentlich wollten wir noch den Sonnenuntergang am Strand fotografieren, aber dicke Wolken und kalter Wind machten es uns leicht, den relativ steilen Weg zum Hotel einzuschlagen. Dort angekommen merkten wir erst, wie müde wir doch nach diesem langen und anstrengenden Tag waren, denn kaum berührte mein Kopf das Kissen schon schlief ich tief und fest. Auch Chris, der noch etwas computern wollte, schaffte vielleicht noch 1 Minute bis sein Kopf auf meinen Oberschenkel fiel und auch er einschlief. Wir müssen echt ein Bild für die Götter abgegeben haben, doch leider machte niemand ein Bild.
Sonntag, 21.11.2010
3. Tag
Irgendetwas störte meinen Tiefschlaf - so öffnete ich schlaftrunken meine müden Augen und sah Chris komplett angezogen zurück in unser Zimmer kommen. Während ich mich noch fragte, wo er herkommt und was er mitten in der Nacht außerhalb unseres Zimmers zu suchen hatte, meinte er, dass es nach einem interessanten Sonnenaufgang aussieht und er jetzt zum  Hafen geht. In Windeseile zog ich mich an, denn ich konnte ihn doch nicht um 4 Uhr morgens alleine durch die Straßen laufen lassen.

Es war eisig kalt draußen, aber zum Glück hatten wir uns dementsprechend warm angezogen. Trotzdem schlotterte ich ganz schön, denn ich war noch immer hundemüde.
Je näher wir dem Hafen kamen, desto lauter wurde es. Autos fuhren durch die Straßen und laute Musik dröhnte uns entgegen. Hä, was ist denn da los, fragten wir uns? Je näher wir dem Hafen kamen, umso lauter wurde es. Kurz vor dem neuen Casino dröhnte aus einem flachen Gebäude laute Discomusik und Menschenmassen tummelten sich dort. Die jungen Leute schauten uns genauso entgeistert an, wie wir sie, ehe sie sich nach einer Zigarettenpause wieder ins Getümmel stürzten.
Wir gingen die Straße zum Sportflughafen entlang, bis wir einen schönen Blick auf Ushuaia hatten. Dort bauten wir unsere Stative auf und machten schnell noch ein paar Bilder, aber leider war es schon etwas zu spät und der schönste Teil der Dämmerung war schon vorbei. Auch waren viel zu viele Wolken am Himmel so wurde es nur leicht rosa während sich die Sonne gar nicht erst blicken ließ. Chris wollte noch etwas länger warten, aber es wurde immer kälter. Längst hatten wir die Kapuzen unserer Jacken über die Mützen gezogen, doch selbst dadurch kam der Wind noch irgendwie. Er hatte mittlerweile Orkanstärke erreicht und es fiel uns immer schwerer die Stative mit den Kameras zu halten, denn die Böen hätten sie einfach umgeweht, als ob sie aus Pappe wären.  Da gab selbst Chris auf und wir stemmten uns gegen den Wind, um wieder in den Ort zu kommen. War das anstrengend. Zurück im Ort wurde der Wind auch gleich weniger, denn die Häuser schützten uns vor der Kraft des Sturms. Dafür fing es leicht an zu schneien und weiße Flocken wirbelten uns um die Ohren.
Immer wieder fielen uns Polizeikontrollen auf, die ganze Straßen abriegelten und jedes Auto anhielten. Wieso, weshalb, warum konnten wir jedoch nicht erkennen, aber wir dachten uns, dass es mit der Disko zusammen hängen könnte.

Zurück im Hotel kuschelten wir uns total durchgefroren noch einmal in unsere Betten und schliefen sofort ein.
Um 7 Uhr morgens frühstückten wir und genossen die fantastische Aussicht auf den Hafen bei einem Kaffee, Rührei, Semmeln, Müsli und frischem Obst.
Leider war das Wetter noch immer schlecht und die Sonne hatte erst mittags eine Chance gegen die Wolken anzukommen. Darauf hatten wir gewartet. Schnell zogen wir uns an und schon waren wir unterwegs. Natürlich gingen wir wieder zum Hafen und wanderten dort entlang bis zum Sportflughafen und weiter an einer Schotterstraße mit sehr europäisch ausschauenden Häusern zurück in die Stadt.
Dort gingen wir in das Café „Ramos Generalis - El Amacen“ , das Chris noch von 2007 in wohlschmeckender Erinnerung hatte. Die Gaststube ist ein Museum und tausende liebevoll angeordneter Gegenstände aus vergangenen Zeiten sind dort in Regalen zu bestaunen. Dazu duftet es köstlich und die hausgemachten knusprig frischen Kuchenteilchen sind so lecker, dass wir sogar nachkaufen mussten. Dazu gab es einen Cappuccino, der sich sehen lassen konnte, denn neben frisch aufgeschäumter Milch gehörte auch flüssige Schokolade dazu und verfeinerte den Geschmack.

Vorbei an den weihnachtlich geschmückten Schaufenstern spazierten wir wieder in unser Hotel.
Am Abend besuchten wir noch einmal das „Tante Nina“, da es uns dort am Vortag so gut geschmeckt hatte und futterten uns durch die Königskrabben Auswahl.
Leider forderte das schöne sonnig windige Wetter seinen Tribut von uns und so leuchteten unsere Nasen wie feuerrote Signallampen, da wir vergessen hatten uns mit Sonnenschutz einzucremen. Wir kamen uns vor, wie die letzten Feuerlandindianer.
Montag, 22.11.2010
4. Tag
Diesmal klingelte der Wecker noch früher, denn wir wollten etwas mehr Zeit zum Fotografieren der blauen Stunde haben. So quälte ich mich um 3.30 Uhr aus dem warmen Bett.
Wieder war vor dem Casino Disco und Massen Jugendlicher tummelten sich dort. An diesem Morgen war es zum Glück nicht so kalt und auch der Wind hatte Mitleid mit uns und blies nur halb so stark wie am Vortag.
Dafür brannten unsere Gesichter immer noch wie Feuer und sahen auch dementsprechend aus.
Wir gingen wieder zur gleichen Stelle wie am Vortag und machten ein paar Bilder von Ushuaias Skyline. Diesmal war die blaue Stunde perfekt, aber viel zu schnell verrann die Zeit und schon dämmerte es kräftig. Wir beschlossen, wieder ins Bett zu gehen, denn die Wolken waren viel zu dicht für einen farbenfrohen Sonnenaufgang.

Etwas mulmig wurde es uns, als zwei Autos langsam auf der anderen Straßenseite an uns vorbei fuhren und dann auch noch wendeten und direkt auf uns zu kamen. Als der eine Wagen dann auch noch neben uns zum Stehen kam, hielt ich fast die Luft an und schaute vorsichtig in den Wagen hinein. Darin saßen 5 aufgedrehte Jugendliche, die uns anstrahlen und uns baten, doch ein Bild von ihnen zu machen. Uns fiel fast die Kinnlade hinunter. Klar machte ich schnell ein Bild von den Kids und schon brausten sie lachend davon.
Wieder waren wir ziemlich durchgefroren und diesmal half eine heiße Dusche, danach noch mal ins Bett gekuschelt und schon war Frühstückszeit.

Sehr genau musterten wir den Hafen von unserem Frühstücksplatz aus und wirklich - unser Schiff die Polar Star lag schon vor Anker.
Bis 11 Uhr konnten wir in unserem Zimmer bleiben, dann kamen unsere Taschen in einen extra Raum und wir gingen spazieren. Das Wetter war wieder unglaublich wechselhaft. Bei Regen und sehr dichter Bewölkung zogen wir los in die Stadt und mit Sonnenschein kamen wir zurück ins Hotel, um unsere Taschen zu holen.

Ein Taxi, in das wir mit Mühe und Not unsere vier Taschen verstauten, brachte uns um 16 Uhr zur Sicherheitskontrolle an den Pier. Dort mussten wir unsere Tickets zeigen und die Taschen wurden durchleuchtet. Da an diesem Tag gleich drei Schiffe ablegten, hatte sich schon eine Menschentraube gebildet, in die wir uns einreihten. Während ich an der Schlage zum Durchleuchten anstand, holte Chris zwei Koffer-Wagen, denn der Weg zum Schiff war einfach zu weit für diese riesige Menge an Gepäck. Auch mit den Wägen war es eine Tortur, denn der Weg war holprig und die Räder blockierten andauernd. Doch irgendwann standen wir vor unserem Schiff – der Polar Star.
Rot glänzte der Schiffsrumpf im Nachmittagslicht und das riesige Schiff ragte hoch über uns auf. Mein Herz klopfte wie verrückt. Da waren wir nun und es gab keinen Weg zurück. Neben den Ängsten meldete sich aber auch mein Abenteuergeist und die Vorfreude überwog eindeutig. Das Schiff hatte uns sofort in seinen Bann gezogen und fasziniert bestaunten wir unser neues Zuhause für die nächsten Wochen.  
Wir stellten unsere Taschen zu den Gepäckstücken der Mitreisenden und mit Kreide wurde unsere Zimmernummer drauf geschrieben. Die Gepäckstücke wurden später per Netz und Kran aufs Schiff befördert und in unsere Zimmer gebracht. Dann gingen wir an Bord. Dort gaben wir unsere Pässe an der Rezeption bei Natascha ab. Da wir auf Deck 3 unser Zimmer hatten, waren wir gleich richtig. Wir gingen ein Gänge-Gewirr entlang, bis wir vor unserem Zimmer, der Nr. 342 standen. Neben uns war nur noch eine Suite und dann kam schon die Tür zum Heck nach draußen. Das war wirklich klasse für uns. Auch von innen gefiel uns das Zimmer. Wir hatten an jeder Wand ein Bett und zwei große Fenster in der Kabinenmitte, die den Raum sehr hell machten. Links stand ein kleiner Schreibtisch und daneben ging es zum Bad. Rechts stand ein  Schrank, worin unsere Schwimmwesten lagen und noch genug Platz für unsere Sachen frei war. Auf dem Bett befanden sich schon unsere knallroten Polar Star Jacken, die wir gleich neugierig anprobierten.

Während ich mich ums Auspacken der Taschen kümmerte, sprintete Chris noch einmal los in den Ort und besorgte schnell noch ein paar Getränke aus dem Supermarkt. Dann war es auch schon 17 Uhr und das erste Briefing fand in der Observation Lounge statt. Wir bekamen ein Glas Sekt in die Hand gedrückt und Schnittchen wurden gereicht, dann stellten sich die Crew und das Team vor. Hannah, unsere Expeditionsleiterin erzählte uns, was uns den nächsten Tag so erwartet.
Um 18 Uhr legten wir ab. Mit lautem Tuten aus dem Horn verabschiedeten wir uns von Ushuaia und dem Festland. Chris hatte immer von einem sonnigen Abschied geträumt und dieser Wunsch wurde ihm erfüllt. Bei einem Sonne und Wolkenmix mit einem schönen Regenbogen verließen wir den Hafen und fuhren im Abendlicht in den Beagle-Kanal hinaus. Unzählige Seevögel wie Möwen, Sturmvögel und auch Albatrosse umkreisten das Schiff. Aufgeregt standen wir an Bord und konnten es kaum glauben, dass wir ein Teil dieses Geschehens waren.
Viel zu schnell verging die Zeit und es wurde zum „Liveboat Drill“ gerufen. Dazu kam eine Ansage über den Lautsprecher, die überall zu hören war. Egal ob man im Zimmer oder an Deck war, man konnte nichts verpassen. Wir schnappten unsere Schwimmwesten und liefen zu unserer Bootsseite – dachten wir jedenfalls. Die Schwimmwesten waren schnell angelegt, dann wurden wir abgehakt und merkten, dass wir auf der falschen Seite waren, denn unsere Namen waren auf dieser Schiffsseite nicht vermerkt. Schnell liefen wir auf die andere Seite des Schiffs und mogelten uns fast unbemerkt in die richtige Gruppe. 

Um 19.30 Uhr gab es Abendessen. Das Essen war sehr lecker und bestand jeden Tag aus einer Suppe als Vorspeise, einem Hauptgericht und einer Nachspeise. Na das würde wohl nichts werden mit unserer Diät, denn das Essen schmeckte hervorragend und man konnte täglich zwischen einem Fleisch-, einem Fisch- und einem vegetarischen Gericht wählen. An diesem ersten Tag gab es Butternutsuppe, dann Lachs, für Chris Roastbeef und für mich Risotto und zum Nachtisch Erdbeeren auf Sahne in Blätterteig. Beim Essen lernten wir Kurt kennen - einen Österreicher, Polar Star Vielfahrer und Eisbergfan, mit dem wir auch den Rest der Reise verbrachten. Nach dem Essen gingen wir wieder hinaus und verbrachten dort die Zeit bis zum Sonnenuntergang. Delphine begleiteten uns ein Stück und eine Insel mit Kormoranen glitt an uns vorüber. Der Sonnenuntergang war sehr farbenfroh, doch dann kühlte es sehr schnell ab und wir gingen aufs Zimmer. Nach dem Duschen fielen wir müde in unsere Betten und ließen uns sanft in den Schlaf schaukeln.
Dienstag, 23.11.2010
5. Tag
Im Beagle-Kanal hatten wir noch glattes Meer, doch je weiter wir in den Südatlantik hinaus kamen, desto unruhiger wurde die See. Im Laufe der Nacht wurde es noch stürmischer, aber witziger weise, schaukelte uns gerade das Rollen in einen tiefen festen Schlaf.

Um 5.26 Uhr wurde ich wach. Mein Blick fiel auf Chris Bett, das verlassen dalag, denn Chris war schon draußen und versuchte Sturmvögel, die unser Schiff begleiten, zu fotografieren. Fasziniert schaute ich aus dem Fenster. Schaumgekrönte hohe Wellen glitzerten im Gegenlicht und ließen den Horizont ab und zu verschwinden. Sturmvögel flogen am Fenster vorbei. Es war einfach nur schön und trotz der rollenden Bewegung noch kein Problem für meinen Magen.

Dennoch wollte mir das Frühstück nicht so recht schmecken und ein Kaffee, ohne den ich ja sonst fast nicht leben kann, ging gar nicht. Dafür schmeckte etwas frisches Obst und ein trockener Toast. Gleich ging es mir etwas besser. Chris machte alles nichts aus und so verspeiste er genüsslich eine riesige Portion Spiegelei mit Kartoffelrösties und Würstchen.
Von Kurt erfuhren wir, dass noch zwei Deutsche mit an Bord waren. Ansonsten waren alle anderen Gäste ausnahmslos englisch sprechend. Sie kamen aus den USA, Kanada, Neuseeland, Australien, Hongkong und sogar aus Südafrika.

Nach dem Frühstück bekamen wir von Hannah eine Expeditionseinführung und wurden von ihr über das Verhalten beim Zodiac fahren belehrt. Danach probierten wir Gummistiefel an. Als wir ein passendes Paar gefunden hatten, bekamen wir eine Klammer mit einer Nummer darauf, damit wir unsere Stiefel auch wieder erkennen. Die Stiefel kamen in den sogenannten Wetroom, wo auch die Zodiac-Schwimmwesten hingen.

Im Laufe des Vormittags wurde mir immer schlechter und so entschied ich zur Soforthilfe einen Kaugummi einzuwerfen und gleichzeitig ein Pflaster hinter das Ohr zu kleben. Der Kaugummi schmeckte anfangs sogar, aber dann wurde der Mund taub. Trotzdem half er augenblicklich und mir war wieder gut.

Chris war weiterhin gut drauf und verbrachte viel Zeit an Deck, um die Seevögel zu fotografieren. Ich begleitete ihn, auch wenn ich nicht fotografieren konnte. Dafür war mir der Wellengang zu stark. So schaute ich nach den Vögeln und sagte ihm die Richtung, aus der sie kamen oder sicherte Chris, wenn es besonders stark schwankte. Die ganze Zeit blieb das Wetter sehr sonnig, aber ein starker Wind pfiff uns um die Ohren.

Wir hatten in Ushuaia dazugelernt und cremten uns gut mit Sonneschutz ein. Immer wenn auf der Brücke etwas Besonderes wie z.B. Wale oder Delphine oder eine bestimmte Vogelart gesichtet wurde, dann gab es eine Durchsage. Der Wellengang blieb beträchtlich und wir konnten zuschauen, wie die „Spucktüten“ weniger wurden, die in Behältern auf den Gängen zu finden waren. Ich steckte mir auch vorsichtshalber eine Tüte in meine Hosentasche, die ich aber zum Glück bis zum Ende der Reise nicht gebraucht habe.

Immer wieder gab es Vorträge. Durch den starken Seegang waren wir den ganzen Tag müde und mussten uns zwischen den einzelnen Vorträgen hinlegen. Ich glaube, so viel haben wir noch nie auf einer Reise geschlafen, aber wir konnten nichts dagegen machen. Selbst während der Vorträge fielen uns ständig die Augen zu und wir sanken für Sekunden in einen erholsamen Schlaf. Aber es ging jedem so und manch einer von den Passagieren schlief den ganzen Vortrag über.
Witzig war auch, dass die Stuhlreihen bei jedem Rollen mit ächzten und stöhnten, aber sie waren zum Glück befestigt und konnten nicht wegrutschen.

Unser Ornithologe Simon Cook hielt einen interessanten Vortrag über die Vögel des südatlantischen Ozeans. Dank der heftigen Wellen musste Simon breitbeinig vor uns stehen und immer wieder ausgleichen, in dem er sich gegen die Wellen schief hinstellte. Dabei hielt er sich das Mikrofon in den Bart und hätte als Comedian sicher einen Preis verdient. 
Nach dem Mittag mussten wir uns auch wieder hinlegen und etwas schlafen, bis uns Hannahs Weckruf aus den Betten springen ließ. Noch etwas verschlafen gingen wir zu Pierres Vortrag über Wetter, Wind und Wracks und lauschten danach Arons Bericht über die Tiere Falklands. Zum Abschluss sang Ian Tamblyn unser Sänger und Songwriter noch zwei selbst komponierte Lieder und spielte Gitarre dazu. Das ging echt unter die Haut und die Füße wippten im Takt mit. Ian hat eine unglaublich tolle Stimme und kann die Menschen mit seinen Liedern so richtig mitreißen und begeistern. Hinzu kam sein sympathisches Wesen, seine immerwährende gute Laune und sein Lächeln, das ihn zu einer besonderen Persönlichkeit mit einer sehr sympathischen Ausstrahlung machte. Um 18.30 Uhr hatten wir wieder Recap und Briefing. Hannah ließ den Tag Revue passieren und gab die Anlandungen für den nächsten Tag bekannt.
Das Abendessen war wieder oberlecker. Danach versuchten wir uns noch einen Film über die Killerwale vor den Falklandinseln anzuschauen, aber wir schliefen immer wieder ein. Um ca. 21.30 Uhr kamen wir endlich in unsere Betten.
Mittwoch, 24.11.2010
6. Tag
Schon um 2 Uhr nachts ankerten wir vor den Westfalklandinseln. Um 6.30 Uhr weckte uns Hannahs Stimme über den Lautsprecher. Das Meer war ruhig und es ging fast kein Wind. Es war zwar noch stark bewölkt, aber es sah nach Wetterbesserung aus.

Nach dem Frühstück ging das erste Zodiac um 8 Uhr nach Settlement Harbour auf New Island. Hier leben in einem Naturschutzgebiet große Kolonien der Schwarzbrauenalbatrosse oder Mollymauks, Felsenspringerpinguine, Magellan Pinguine und Blauaugenkormorane.
Dazu fuhren wir an dem tollen Schiffswrack der Protector II vorbei in eine türkis schimmernde Bucht. Oberhalb auf den Felsen lagen malerisch ein paar Häuser inmitten gelben Stechginsters und grünen Wiesen.
Wir landeten an einem schönen Sandstrand, wo schon ein paar Falklandbewohner auf uns warteten, um ein paar Souvenirs zu verkaufen. So konnte man Vogelbestimmungsbücher erwerben oder andere Dinge.
Um zu der Kolonie aus Albatrossen, Felsenspringerpinguinen und Kormoranen zu gelangen, wanderten wir ca. 1,5 km über die karge Landschaft, die eigentlich nur aus Weiden und Wiesen bestand. Zwischendrin wuchs Stechginster, der gerade kräftig gelb blühte und die moorastige Landschaft farblich bereicherte. Immer wieder sahen wir Gänse - entweder als Paar mit Kleinen oder als ganze Gruppen, aber auch Karakaras (Greifvögel), die immer gut drauf waren und frech mit ihren intelligenten Augen die Leute abscannten.

Schon auf dem Weg zur Kolonie kamen wir kaum vorwärts und mussten immer wieder fotografieren.
Dann endlich waren wir da. Vor uns lag eine Steilküste mit Wänden, die sicher 50-100 Meter hoch waren. Dort nisteten Felsenspringerpinguine, die einen enormen Weg zurücklegen müssen, um ins Meer zu gelangen. Die Kleinen sahen sehr lustig aus mit ihren roten Augen und den gelben Strähnen, die von einer gelben Augenbraue in lange Federn über gingen. Sie waren noch mit der Partnerauswahl beschäftigt und verteilten liebevoll Streicheleinheiten. Dazwischen nisteten Blauaugenkormorane, die gerade mit dem Nestbau beschäftigt waren. Immer wieder klaute ein Kormoran bei den Pinguinen oder anderen Kormoranen etwas Nistmaterial und brachte es seinem Partner, der schon auf einem Nest saß. Es konnte nicht genug sein und so waren die Schnäbel stellenweise leicht überladen.
Ein Weg führte links an der Kolonie entlang und dort trafen wir auf die Albatrosse. Sie brüteten schon auf perfekt geformten Erdnestern und schnäbelten immer wieder liebevoll mit dem Partner. Das sind einfach geniale Vögel, die ich schon immer einmal mit eigenen Augen sehen wollte. Sie sind nicht nur Könige der Lüfte, sie strahlen auch Ruhe und eine innere Zufriedenheit aus. Wahnsinn - hier standen wir nun inmitten dieser unglaublich tollen Tiere, die wir bisher nur aus dem Fernsehen kannten und waren absolut begeistert.

Hoch oben auf den Klippen wehte aber auch ein sehr kalter stürmischer Wind, der den Albatrossen und anderen Vögeln den richtigen Auftrieb gab. Immer wieder watschelten Albatrosse an uns vorbei bis hin zur Felsenkante, um sich dann elegant in die Lüfte zu verabschieden. Skuas (Raubmöwen) flogen über die Kolonien auf der Suche nach unbewachten Nestern, um vielleicht ein Ei zu ergattern, aber gegen die kleinen wachsamen Pinguine und wehrhaften Vögel hatten sie keine Chance.
Auf der anderen Seite der Bucht befand sich noch eine Kolonie von Magellan Pinguinen. Auch dorthin wanderten wir noch. Doch leider waren die Pinguine in ihren Bruthöhlen oder gerade im Meer, denn wir bekamen kaum Tiere zu sehen. So machten wir uns auf den Rückweg zum Schiffswrack, denn die Sonne kam immer mehr heraus und die Bucht schimmerte in wunderbaren Farben. Immer wieder begegneten wir Gänsen. Eine Gänsemutter mit ihren 5 Jungen hatte fast keine Angst vor uns und ließ sich schon fast stolz von uns fotografieren.
Um 11.45 Uhr ging das letztes Zodiac zurück zur Polar Star. Hungrig ließen wir uns die gefüllten Pfannkuchen mit einem leckeren Salat schmecken, aber die Krönung war eine Kugel Vanilleeis mit selbstgebackenen Florentinern. Ging es uns mal wieder gut! Chris ergatterte gleich noch eine Extraportion Florentiner bei unserer netten philippinischen Kellnerin.
Schon während des Essens lenkte unser Kapitän das Schiff in Richtung West Point Island, wo um 15.30 Uhr das erste Zodiac anlandete.

Zuerst ging es einen Hügel hinauf, vorbei an einem Farmhaus und dann über leicht wellige Wiesenlandschaft, die immer wieder von gelb blühenden Stechginsterhecken durchbrochen wurde, auf die andere Seite der Bucht. Unterwegs sahen wir überall Gänse mit und ohne Jungtiere, Karakaras, die uns neugierig beäugten und einige andere Kleinvögel. Wieder erreichten wir eine felsige wilde Steilküste, wo Wellen ungezähmt an die Felsen krachten. Hoch oben auf den Felsen, wo wir uns nun befanden, brüteten unzählige Felsenspringer Pinguine und Albatrosse. Auch hier tauschen die Vögel Zärtlichkeiten und Zankereien aus. Das Tussock Gras war stellenweise sehr hoch, so dass man aufpassen musste, um ja keinen der kleinen Pinguine zu übersehen. Die Kleinen wussten sich jedoch zu wehren. Als Chris einmal einem etwas zu nahe kam, zwicke der ihn sogleich ins Bein und machte empört auf sich aufmerksam.
Auch hier oben wehte ein strenger Wind, das Gras rauschte und wiegte sich im Takt der Böen.

Als Chris sich mit seiner Kamera an einer Flugstudie der Albatrosse versuchte, entschied ich mich, wieder zurück zu gehen. Dort entdeckte ich ein Albatros Paar, das sich nicht wirklich entscheiden konnte, ob sie sich nun mögen oder nicht. So umrundeten sie sich gegenseitig, kraulten sich die Köpfe, um sich gleich darauf anzuschimpfen. Das war eine richtige Show. Sie endete damit, dass der eine Albatros den anderen vom Stein schupste und dann unzufrieden selbst vom Stein hüpfte.

Die Zeit verging mal wieder viel zu schnell und schon mussten wir zurück wandern. Wieder ging es durch die grüne hügelige Landschaft und wir sprachen begeistert über die Erlebnisse des Tages. Vor uns ging Simon, unser Ornithologe. Auf seinem Kopf trug er ein buntes Kopftuch, an dem zwei junge Karakaras Gefallen fanden.  Sie flogen abwechselnd oder auch gleichzeitig in die Luft und schwebten über Simons Kopf. Langsam kam einer immer näher zu dem Tuch und beäugte es. Als er schon sehr nah war, hob Simon die Hand und der Vogel ging wieder etwas auf Abstand. Dabei hielt er fast genau den gleichen Abstand zum Finger wie zum Kopf, so dass es so aussah, als ob Mensch und Vogel mit einer unsichtbaren Schnur verbunden wären. Das ging einige Minuten so, bis es den Vögeln zu langweilig wurde und sie ein neues Opfer suchten. Wir beobachteten die unwirkliche Szene und bekamen das Grinsen fast nicht mehr aus dem Gesicht. Simon erzählte uns, dass er von solch einem Verhalten der Karakaras schon gehört hatte, aber es noch nie selbst erlebt hätte.

Das Wetter war auch an diesem Nachmittag einfach toll. Die Sonne schien immer wieder zwischen den Wolken hindurch und auch der strenge Wind konnte uns nicht die Laune verderben. Leider kamen wir viel zu spät zurück und konnten nicht mehr von dem vielgepriesenen Kuchen der Farm kosten. Das machen wir dann halt beim nächsten Mal – scherzten wir.

Zurück auf dem Boot verspeisten wir hungrig unser Abendessen und lauschten dann Hannahs Briefing für den nächsten Tag. Dummerweise brannte gerade an diesem Abend der ganze Himmel in leuchtenden Rot- und Orangetönen. Doch wir befanden uns in der Observation Lounge und wollten nicht unhöflich sein und nach draußen stürzen. So saßen wir wie auf Kohlen und verpassten einen der schönsten Sonnenuntergänge der ganzen Reise.
Den Abend ließen wir auf unserem Zimmer bei einem Glas Rotwein gemütlich ausklingen.
Donnerstag, 25.11.2010
7. Tag
Als wir an diesem Morgen munter wurden, liefen wir gerade langsam in Port Stanley ein. Es ist die einzige Stadt und somit auch der Regierungssitz der Falklandinseln. Hier leben ca. 2000 Einwohner. Es gibt eine Schule, einen Supermarkt, ein Krankenhaus, eine Bibliothek, ein Museum, ein paar Touristenshops und seit 1979 einen Flughafen.
Nach einem schnellen Frühstück saßen wir im ersten Zodiac und schipperten in Richtung Pier. Das Wetter meinte es auch an diesem Morgen wieder gut mit uns und die Sonne lachte vom Himmel.

Wir hatten uns schon am Vortag entschlossen, mit dem Bus nach Gypsy Cove – einem Naturschutzgebiet – zu fahren. Bis jedoch alle Mitfahrer da waren, hatten wir noch etwas Zeit und strolchten ein wenig durch die Stadt. Auf dem Gelände der südlichsten anglikanischen Kirche der Welt, sahen wir eine junge schwarze Katze, die gleich für ein paar Streicheleinheiten herhalten musste. In der Kirche lag auf einer Bank am Eingang eine zweite getigerte Katze, die sehr klein und kompakt war mit einem kuschlig weichen Fell. Sie genoss sichtlich unsere Zuwendungen und konnte gar nicht genug davon bekommen. Später erfuhren wir von einer Frau, dass die Katze schon eine betagte Dame ist, die immer mit den Touristen mitläuft und süchtig nach Aufmerksamkeiten ist.

Da unser Bus nach Gypsy Cove bald gehen würde, wanderten wir zurück zur Touristen Info und fuhren schon bald dem Naturschutzgebiet entgegen. Die Landschaft war staubig, karg und nur das Schiffswrack der Queen Elizabeth in einer Strandbucht erregte unsere Aufmerksamkeit. Leider fuhren wir daran vorbei, aber auf dem Rückweg versprach uns Simon einen Stopp einzulegen.

Auf einem staubigen Parkplatz hielten wir und zwei Busse spuckten etliche rote (Passagiere mit Polar Star Jacken) und ein paar blaue Männchen (Crew) aus, die sich auf dem Parkplatz sammelten. Zusammen mit Simon und Mike wanderten wir auf befestigten Wegen eine traumhaft schöne Steilküste entlang. Die Sonne strahlte nur so, gelber Stechginster blühte überall, das Wasser leuchtete türkis in den kleinen Buchten und Wellen liefen an einem schneeweißen Sandstrand sanft aus. Die Buchten waren von steilen Klippen eingerahmt. Darin sahen wir immer wieder Magellan Pinguine am Strand entlang wandern, Albatrosse schwammen auf dem Wasser, Möwen kreisten am Himmel und Karakaras hielten nach Beute Ausschau. Wir waren begeistert von der Schönheit der Natur an diesem besonderen Ort. Leider gab es an dieser traumhaften Küste immer noch Mienen vom Krieg, darum war es uns auch verboten, an den Strand zu gehen.

Chris entdeckte auf seiner Wanderung die Steilküste entlang ein altes Geschütz aus dem 1. Weltkrieg, das noch immer mahnend in Richtung Stanley weist.
Um 11 Uhr fuhren wir zurück in die Stadt. Wie versprochen hielten wir noch kurz an der Queen Elizabeth, doch bis auf uns stiegen nur drei weitere Leute aus, um ein paar Bilder zu machen.
In Port Stanley wanderten wir die Hauptstraße entlang, vorbei an der Kirche, einigen Touristenläden, dem Regierungssitz, einigen Kriegsmahnmalen, einem weiteren Schiffswrack bis zum kleinen Museum, das wir kurz besichtigten und wieder zurück zum Pier. Auf dem Rückweg schauten wir in ein paar Läden. In einem Geschäft war es dann um uns geschehen, denn ein Robbenbaby und ein dicker Königspinguin wollen unbedingt mit uns kommen. So machten wir etwas Platz in unseren Rucksäcken und die zwei neuen Begleiter sprangen hinein.

Um 13 Uhr ging das letzte Zodiac wieder zum Schiff zurück. Beim Mittagessen erfuhren wir, dass jemand sein Laptop an Land vergessen hat. Da wir bereits auf dem Weg aus dem Hafen heraus waren, mussten wir drehen und warten, bis die Küstenwache uns den Laptop brachte. Der Besitzer des Laptops - Matthew Swan - gehörte praktisch zur Crew und bekam von Ian, gleich am Abend ein eigenes Lied mit dem klangvollen Namen „Swan Song to a Laptop“ frisch komponiert zu hören, was alle Zuhörer sehr belustigte.

Die Falklandinseln lagen nun hinter uns. Jetzt lagen zwei Tage auf offener See vor uns und unser Kapitän nahm Kurs auf Südgeorgien.

Am Nachmittag genossen wir die Wärme der Sonne an Deck und lasen in unseren Büchern. Zu diesem Zweck stellten wir uns ein paar Stühle an die Reling und ließen es uns gut gehen. Hier lernten wir auch die anderen zwei Deutschen kennen – Zdenko und seine Frau. Mit den Beiden hatten wir immer wieder gute Gespräche und Zdenko leistete uns fast jeden Abend beim Essen Gesellschaft.

Um 15.30 Uhr erzählte uns Mike in einem Vortrag über sein Leben als National Geographic Fotograf untermalt mit ein paar sehr witzigen Bildern.

Später standen wir wieder an Deck und machten ein paar Bilder von den uns begleitenden Vögeln, als Chris merkte, dass sein Akku blinkt. Ich lief schnell in unser Zimmer und wollte ihm einen Akku holen. Komisch, was hatte er denn da auf seinem Bett liegen? Ich sah etwas genauer hin und erkannte menschliche Formen auf dem Bett. Was ist denn hier los? Dann dämmerte es mir. Ich war auf dem falschen Deck und stehe mitten im falschen Zimmer, indem auch noch jemand schläft. Ups, auf Zehenspitzen schlich ich wieder hinaus und musste erst einmal laut loslachen. Eine Etage tiefer war ich dann im richtigen Zimmer und holte schnell den Akku. Glucksend lief ich zu Chris zurück und berichtete von meinem Versehen. Immer wieder mussten wir beide grinsen. Dummerweise ist mir der gleiche Spaß noch einmal passiert, aber da war niemand auf dem Zimmer und ich bemerkte mein Versehen kaum, dass ich die Tür geöffnet hatte.

Am Abend gab Ian ein Konzert. Seine Antarktis Lieder sind einfach toll. Einige sind melancholisch schön und andere einfach nur lustig. Zurück auf unserem Zimmer merkten wir, dass das Schiff ganz schön rollt. Die Wellen wurden höher und höher, aber es machte uns diesmal beiden nichts aus und so schaukelten uns die Wellen schon bald in einen tiefen Schlaf.
Freitag, 26.11. - Samstag, 27.11.2010
8. Tag
Um 7.30 Uhr erschallte Hannahs Weckruf über den Lautsprecher. Unser Schiff glitt ruhig dahin. Müde und verschlafen schaute ich erst einmal aus dem Fenster.
Die Wellen waren nur noch 2-3 Meter hoch. Sturmvögel flogen am Fenster vorbei. Leider war es sehr wolkig draußen. Eigentlich genau das richtige Wetter, um unseren immer noch pellenden Nasen eine Pause zu gönnen, aber trotzdem waren wir etwas enttäuscht. Den Tag verbrachten wir mit dem Anhören verschiedenster Vorträge. So hörten wir uns etwas über die Geologie Südgeorgiens an und schauten einen Film über die Endurance-Expedition von Shackleton. Es war sehr interessant dabei die Leute zu beobachten, denn mindestens die Hälfte schlief.
Immer wieder kamen Durchsagen bei Tiersichtungen über den Lautsprecher und alle stürmten an Deck. So wurden Pilotwale entdeckt, die aber leider nicht zum Schiff kamen. Nur in der Ferne sahen wir ihre Atem-Fontänen und schon waren sie in der Weite des Ozeans verschwunden. Auch Delphine schwammen eine Weile mit uns mit, doch auch ihnen wurde es sehr schnell zu langweilig und sie verschwanden wieder auf der Suche nach interessanteren Weggefährten. Dafür blieben uns ein paar Albatrosse treu.
Auch der nächste Tag verlief ähnlich. Doch diesmal verwöhnte uns die Sonne bei glatter See.
Wir besuchten wieder einige der Vorträge und alle Interessierten bekamen eine Sonderführung durch den Maschinenraum des Schiffes. Mittags kam dann die Durchsage, dass Orcas beim Schiff wären. Mir unseren Linsen bewaffnet, stürmten wir an Deck und wirklich 6-7 Orcas waren nah beim Schiff. Orcas sind ja sehr gesellige Tiere. An Bord lernte ich, dass sie zur Familie der Delphine gehören. Das war neu für uns, denn der Name Schwert- oder Killerwal lässt ja auf eine andere Zugehörigkeit schließen. Diese Familie hatte Junge dabei und immer wieder pusteten sie Luft aus, um gleich darauf elegant unter Wasser zu gleiten. Leider verließen sie uns viel zu schnell wieder. Doch unser Kapitän wendete das Schiff und wir schwammen eine Weile mit den Orcas. Auch Finnwale wurden noch gesichtet und so verbrachten wir an diesem schönen sonnigen Tag viel Zeit an Deck. Zum Mittag waren wir so richtig ausgehungert, denn die Meerluft macht ja bekanntermaßen hungrig. Wir verspeisten eine riesige Portion Wiener Schnitzel mit Unmengen an Salat, aber erst nach dem Nachtisch waren wir einigermaßen satt.

Am Nachmittag gab es dann nach Hannahs Briefing über Südgeorgien die schiffseigene sehr bekannte Vaccum clean Party. Wir mussten unsere Sachen, Fototaschen und alles was wir so mit uns schleppten mit einem Staubsauger absaugen. Damit soll ein wenig die Verbreitung artfremder Samen von Falkland auf Südgeorgien und später auf die Antarktis verhindert werden. So saßen wir alle in der Observation Lounge und saugten unsere Klamotten ab. Wir hatten Spaß und kamen aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Da wir nur fünf Staubsauger hatten, war der größte Spaß natürlich, den anderen beim Arbeiten zuzuschauen. Manch einer nahm die Aktion mehr als ernst und so dauerte es sehr lange bis auch die letzte Tasche der Jacke absolut sauber war.

Später sahen wir noch Southern Right Wale, die man super daran erkennt, dass sie zweistrahlig Luft ausblasen. Leider schwammen auch sie wieder nur an uns vorbei. Doch auch hier wendete unser Kapitän das Schiff und so konnten wir sie eine Zeitlang beobachten. Besonders schön war, dass der eine Wal zweimal abtauchte und uns seine Fluke zeigte. Leider war er weit weg und im Gegenlicht, aber es war toll.

Um ca. 18.30 Uhr kamen wir an den Shag Rocks vorbei. Diese Felsengruppe liegt  250 km westlich von Südgeorgien und ca. 1000 km östlich der Falklandinseln. Auf diesen schroffen Felsen leben unzählige Vögel, hauptsächlich Kormorane, die zu Dutzenden wunderschön in Formation aufgereiht an uns vorbei flogen.  Aber auch Albatrosse und Pinguine hatten hier einen Nistplatz gefunden. Jeder freie Platz auf den Felsen war belegt und wurde verteidigt. Ein aufgeregtes Schnattern lag in der Luft. Gegen die Felsen krachten Wellen mit ungeheurer Kraft. Zum Teil gingen die Fontänen meterhoch. Es war ein unbeschreiblich schönes Schauspiel.
Viel zu schnell verflog dieser tolle Tag auf dem Meer und schon lagen wir wieder in unseren Betten und träumten von Eisbergen, Walen und Sturmvögeln.

Sonntag, 28.11.2010
9. Tag
Um 6.30 Uhr erschallte Hannahs Weckruf über den Lautsprecher in unserem Zimmer. Wir näherten uns Südgeorgien und in der Ferne war das Land zu erkennen. Schnell zogen wir uns an und stürmten an Deck. Wir schauten begeistert auf die tollen schneebedeckten Berge, auch wenn leider an diesem Morgen die Wolken sehr tief hingen. Wir entdeckten die ersten Robben aus, die sich im Wasser tummelten. Auch Pinguine schnellten an uns vorüber, indem sie elegant aus dem Wasser flogen und wieder darin verschwanden. Lebensfreude pur und Tiere in ihrem Element, was könnte es Schöneres vor dem Frühstück geben?

Um 8 Uhr startete das erste Zodiac natürlich mit uns an Bord. Unser Zodiacfahrer war an diesem Morgen Ian. Mit ihm war die Fahrt immer ein besonderer Genuss, denn seine gute Laune und sein herzliches Lächeln waren ansteckend und gingen auf uns über.
Unsere erste Fahrt an die Küste führte uns nach Elsehul. Diese Bucht liegt ganz im Nordwesten von Südgeorgien.

Das Wetter war leider immer noch relativ schlecht. Die Wolken hingen sehr tief und es herrschte eine fast schon unrealistische Stimmung. Wasserfälle rauschten die grünen Hänge der umliegenden Berge hinab. Vereinzelt sahen wir noch ein paar Schneereste inmitten des jungen Grüns.

Das Wasser in der Bucht schimmerte milchig türkis und beeindruckte uns durch seine Klarheit. Man konnte fast bis auf den Grund schauen. Auf dem Wasser schwammen Sturmvögel. Einer kam sogar bis an unser Boot und beäugte uns neugierig. Robben glitten in eleganten Bewegungen durch das Wasser, Pinguine flogen fast schon an uns vorbei. Aber auch überall in den Buchten an Land waren Tiere. In einer kleinen Bucht sahen wir die ersten Königspinguine. Zu gerne wären wir aus dem wackligen Boot gestiegen und hätten ein paar Aufnahmen gemacht, aber für eine Anlandung war viel zu wenig Platz an Land. So begnügten wir uns mit Beobachten und versuchten, ein paar scharfe Bilder aus dem Boot heraus zu schießen.

Auf den Felsen nistete auch eine Kolonie Macaroni Pinguine. Auch diese kleinen Kerle klettern ganz schön weit die Felsen hinauf, um einen sicheren Nistplatz zu bekommen.
Die Ohrenrobben hatten gerade frisch ihre Babys bekommen. In einer Bucht sahen wir, wie eine Robbenmutter ihren Nachwuchs gegen die gefräßigen Sturmvögel verteidigte. Aber die Vögel hatten genug mit dem Verspeisen eines verstorbenen Robbenbabys zu tun und beachteten die wütende Mutter gar nicht.
Blauaugenkormorane nisteten auf den Felsen und schauten auf uns hinab. Immer wieder tauchten Robben neben unserem Zodiac auf und sahen uns mit großen Augen an.

Das feucht kalte Wetter ging uns durch und durch. Besonders die Bootshaut war so kalt, dass wir nach einer gewissen Zeit mit den Zähnen klapperten und immer wieder hin und her hoppelten, damit wir etwas wärmer wurden.
Langsam besserte sich jedoch das Wetter, die Wolken zogen sich zurück und ganz allmählich traute sich die Sonne hervor.
Mittags hatten wir wieder mächtig Hunger und verspeisten Unmengen an Salat, Gemüsepfannkuchen und Chicken Wings.
Unterdessen fuhren wir wieder weiter entlang der tollen Küste Südgeorgiens. Am frühen Nachmittag erreichten wir unseren nächsten Anlandungsplatz – Salisbury Plain. Hier befindet sich die zweitgrößte Königspinguin-Kolonie mit ungefähr 60 000 Brutpaaren.

Das wussten wir zwar, aber als wir uns dann mit dem Zodiac dem Strand näherten, bekamen wir dennoch suppentellergroße Augen. Ein wunderschöner Kiesstrand lag vor uns, dahinter ragten schneebedeckte Berge auf, an deren Hängen Gletscher bis ins Tal gingen. Flüsse durchschlängelten die Landschaft bis ins Meer hinein. Rings um uns herum lagen kleinere Inseln. Die Sonne schien und hatte richtig Kraft. Nur ein paar Schäfchenwolken waren noch am Himmel zu sehen. Was für ein fantastischer Tag für unseren ersten direkten Kontakt zu den Königspinguinen.

Am Strand erwarteten uns schon die ersten Königspinguine. Sie standen da, als ob sie den Auftrag hätten, uns zu empfangen und schauten uns aus ihren klugen Augen neugierig an. Sie kannten keine Scheu, gingen einem lediglich aus dem Weg, wenn man ihnen etwas zu nahe kam. Der Strand war sehr groß und lang und soweit das Auge reichte, war alles mit Königspinguinen bevölkert. Dazwischen lagen immer wieder See-Elefanten und Ohrenrobben. Die Robben waren etwas nervös und man musste sehr aufpassen, dass man ihnen nicht zu nahe kam, denn gerade die Männchen erinnerten an bissige Hunde, die bei der ersten falschen Bewegung angreifen würden. So gingen wir ein wenig wie auf rohen Eiern am Strand entlang und bahnten uns einen Weg durch die Robben. Mit der Zeit bekamen wir jedoch ein Gefühl für den richtigen Abstand und konnten ohne Herzklopfen unseren Weg fortsetzten. In der Nähe des Gletschers führte ein Fluss ins Meer. Dort entlang gingen wir etwas weiter in die Hügelwelt. Immer wieder schnaufte und fiepte es aus dem hohen Gras, denn im hohen Tussokgras lagen Robben und verteidigten ihr Revier gegen uns.
Die Pinguin Kolonie zog sich die Hügel hinauf. In der Mitte waren die ganzen Jungtiere zu finden. In Ihrem braunen Federkleid sahen sie aus, wie in dichte braune Mäntel gehüllt.
Während die Altvögel fast mit einem Schwanengesang tröteten, zwitscherten die Jungtiere wunderschön. Mit diesem Gesang bettelten sie die Eltern nach Futter an. Doch je älter die Jungpinguine werden, desto seltener werden sie durch ihre Eltern gefüttert. Ging ein Elternteil weg, lief das Jungtier mit gesenktem Kopf hinterher, blieb der Pinguin stehen, zwitscherte ihn der Kleine gleich an. Ab und zu erbarmten sich die Eltern und fütterten ihre „Riesenbabys“. Aber es reichte nie. Kaum zog der Altvogel seinen Kopf zurück, sang ihn der Kleine schon wieder an. Dafür bekam er dann den Kopf gekrault oder wurde einfach missachtet.

Wir beobachteten die Pinguine und saugten das Verhalten der Vögel nahezu in uns auf. Es war so schön und für ein paar Stunden waren wir in einer anderen Welt.
Glücklich und sehr zufrieden saßen wir natürlich im letzten Boot.
Zum Abendessen gab es Tomatensuppe, italienische Vorspeisen und Heilbutt. Aber auch diesmal war der Nachtisch wieder die Krönung. Es gab karamellisierte Nüsse mit warmen Beeren. War das gut!
An diesem Abend fand das Briefing erst um 21 Uhr statt. Nach dem langen Tag waren wir ganz schön müde, aber wir wollten ja den Plan für den nächsten Tag wissen.
Montag, 29.11.2010
10. Tag
Schon um 4 Uhr morgens saßen wir müde aber voller Tatendrang im ersten Zodiac und fuhren nach Whistle Cove, Fortuna Bay. Hier wollten wir bei einer kleinen Königspinguin Kolonie den Sonnenaufgang erleben. Hannah stand mit ihrem Team schon am Stand und wartet auf uns. Wie immer halfen sie uns aus dem Boot, danach legten wir unsere Schwimmwesten ab und konnten uns auf den Weg machen.

Die Sonne war noch hinter den Bergen als wir landeten und so genossen wir die Morgenstimmung bei den Pinguinen, Robben und See-Elefanten. Besonders die Pinguine waren sehr aktiv. In großen Gruppen gingen sie am Wasser entlang und suchten eine passende Stelle, um sich in die Wellen zu stürzen. Es war richtig witzig. Zuerst liefen sie am Strand entlang, denn sah der erste Pinguin einen guten Platz, um ins Wasser zu gehen. Er schaute sich die Stelle genauer an, während sich die anderen Pinguine hinter ihm stapelten. War der Platz genehm, ließ er sich ins Wasser gleiten und die anderen folgten ihm. Gefiel es ihm doch nicht, drehte er ab und watschelte weiter – die anderen folgten ihm wieder.
Dann kam langsam die Sonne hinter den Bergen hoch und zauberte ein warmes Licht auf die Landschaft. Die schneebedeckten Berge schienen zum Greifen nah. Das saftige Grün leuchtete richtig. Rentiere grasten auf den weiten Flächen. Doch leider waren sie sehr scheu und liefen gleich aufgeregt davon, als sie uns witterten. Wasserfälle rauschten die Berghänge hinab, Flüsschen, die wir immer wieder durchquerten, durchzogen die Landschaft, die uns wieder einmal verzauberte.
Während Chris eher am Wasser blieb, streifte ich durch die Landschaft und sog alles in mich auf. Diese friedliche Idylle und Harmonie brannte sich tief in mir ein. Besonders ein See-Elefantenbaby hatte es mir angetan. Es saß an einem Bach und spiegelte sich wunderbar darin im warmen Morgenlicht. Ich konnte mich kaum von diesem Bild losreißen. Auch eine kleine Gruppe Königspinguine stand wunderschön im glasklaren Wasser eines Flüsschens und schauten vertrauensvoll zu mir auf. Es war hier so friedlich. Ich glaube, das spürte jeder an diesem sonnigen Morgen und fand hier sein eigenes kleines Paradies.

Um 7 Uhr ging das letzte Boot zurück an Bord. Nun mussten wir schnell frühstücken, denn um 8.15 Uhr ging schon wieder das nächste Zodiac zum Shackleton Walk. Klar, schafften wir es und schon waren wir zurück an Land. Vor uns lag die letzte Etappe des beschwerlichen und kraftraubenden Marsches von Ernest Shackleton, Kapitän Worsley und dem 2. Offiziers Tom Crean – natürlich in abgeschwächter Form.
Am Strand sammelten wir uns und warteten bis alle angelandet waren. Da wir wieder im ersten Zodiac saßen, hatten wir etwas mehr Zeit und konnten die Pelzrobben beobachten. Gleich neben unserer Anlandungsstelle lag eine kleine Familie und die Weibchen hatten ganz frisch Nachwuchs bekommen. An dem einen Kleinen hing noch die Nachgeburt und Sturmvögel rissen daran rum. Die Mutter verteidigte ihr Kleines, gegen die riesigen Vögel und der Bulle verteidigte sein Revier. Es ging ganz schön ab und wir hatten schon Angst um das Baby. Ein anderes Neugeborenes hatte nicht so viel Glück und wurde entweder tot geboren oder zerquetscht. Es lag gleich neben der Familie und auch dort waren Riesensturmvögel am Fressen und Zerreißen.
Da wir nur die Landschaftsobjektive dabei hatten, pirschte Chris sich langsam und vorsichtig an die Familie heran. Er kam ganz schön nah hin und reagierte auch nicht auf mein Rufen, denn aus meiner Sicht war er schon zu dicht an den Tieren. Das sah ein benachbarter Robbenbulle genauso und startete erbost einen Angriff auf Chris. Dann ging alles sehr schnell. Chris sprang rückwärts und kam auf dem Kies ins Stolpern. Der Bulle robbte weiter in einer enormen Geschwindigkeit auf ihn zu und wir hielten schon den Atem an. Chris krachte auf seine Schulter, rollte ab, sprang wieder auf und brachte sich gerade noch im letzten Augenblick in Sicherheit. Der Bulle war zufrieden und robbte wieder zu seinen Weibchen zurück, während Chris sich von dem Schrecken erholte und seine Schulter rieb.
Tja, manchmal lernt MANN nur etwas auf die harte Tour, aber in Zukunft war Chris vorsichtiger und unterschätzte die Pelzrobben nicht mehr. Wie wir danach erfuhren, hatte sich bei einer ähnlichen Episode eine Amerikanerin die Schulter angebrochen und blieb nun etliche Ausflüge an Bord, die Schulter fest eingebunden.
Zuerst kletterten wir in Richtung Osten die mit Bültgras bewachsenen Moränen steil hinauf. Ein leicht ansteigendes Plateau führte uns an einem See vorbei, in den Tom Crean damals einbrach, aber durch seine Gefährten gerettet werden konnte.
Die Landschaft war einfach atemberaubend schön. Immer wieder mussten wir stehen bleiben und zurück blicken. Ich weiß nicht, wie viele Bilder wir machten, aber unsere Kameras glühten und wir kamen kaum vorwärts. Hinter uns leuchtete die Bucht von Fortuna Bay in einem kräftigen Türkis, dahinter standen die schneebedeckten Berge und der wunderschöne King Gletscher lag links neben der Bucht. Vor uns lagen ebenfalls schneebedeckte Berge und eine karge felsige Bergkulisse mit kleinen Seen und einigen Schneepassagen. Wir überschritten den „Transverse Range“ und blickten von oben auf die Stromness-Bucht und die alte Walfangstation. Der Abstieg war noch einmal etwas schwierig, denn wir mussten über ein zum Teil vereistes Geröllfeld bis ins Tal kraxeln, aber alle kamen heil unten an. Von unten sahen wir den Wasserfall, der die letzte Hürde für Shackleton und seine Begleiter war. Er war damals größtenteils vereist, doch den Männern gelang es, sich durch das eisige Wasser abzuseilen.
Unten angekommen wanderten wir in Richtung Walfangstation, wo einst drei völlig fertige merkwürdige Gestalten nach einer 36 stündigen Inselüberquerung vor dem Haus des Stationsleiters Sorlle standen. Nach 1,5 Jahren waren sie endlich angekommen und konnten die Rettung der Männer auf Elefant Island organisieren. Buch- und DVD Tipp
Heutzutage ist die Walfangstation nur noch eine verfallene Geisterstadt. Man darf sich nicht mehr nähern und große Schilder warnen davor, dass akute Einsturzgefahr besteht.
Bevor wir jedoch dort angelangten, mussten wir noch ebenerdig ein gutes Stück Weg zurücklegen. Eine wasserdurchsetzte, fast schon moorastige Graslandschaft führte uns langsam aber stetig zum Meer zurück. Wiedersahen wir aus der Ferne Rentiere, die panisch in die Berge flohen.
Auf einem Hügel entdeckten wir Pinguine. Die kleinen Vögel hatten sich einen felsigen Ort relativ weit weg vom Meer gesucht, um dort zu brüten. Chris wollte sie sich näher anschauen und ich wartete unten, als er mich rief und aufforderte nach oben zu kommen. Die Kletterpartie hatte sich gelohnt, denn oben auf dem Hügel war eine kleine Eselspinguin Kolonie. Sie hatten schon Junge, jeweils zwei Küken saßen in einem Nest und wurden von einem Elternteil beschützt, während der andere auf Nahrungssuche im Meer war. Die Kleinen suchten Schutz vor dem kalten Wind und kuschelten sich mit dem Kopf voraus in das flauschige Federkleid des wärmenden Elternteils. Doch wenn der Hunger der Kleinen zu groß wurde, drehten sie sich um und richteten sich auf, um die Eltern anzubetteln. Sie waren so flauschig und reizend, dass man sie am liebsten mitgenommen hätte.
Immer wieder versuchten freche Skuas (Raubmöwen) die ausgewachsenen Pinguine abzulenken, um an die Kleinen zu kommen. Aber es waren neben den “Nestsitzern” genug andere Pinguine bei der Kolonie, die sofort angelaufen kamen und die Nesträuber verjagten.
Irgendwann mussten wir uns schon fast gewaltsam losreißen, aber die Zeit verflog nur so und unser Schiff wartete in der Bucht. Wir waren so begeistert, dass wir den ganzen Weg bis zur Walfangstation von den Pinguinen schwärmten und uns darin einig waren, dass dieses Erlebnis ein richtig krönender Abschluss für den tollen Ausflug war.

Vor und in der Walfangstation lagen Unmengen an Robben und See-Elefanten. Ihnen waren die Schilder egal und auch die traurige Geschichte dieser Stationen. Denn neben den unzähligen Walen wurden hier auch Unmengen an See-Elefanten abgeschlachtet. Doch nun gehörte das Land wieder den Tieren und kein Mensch tut ihnen mehr etwas zu leide. Ganz im Gegenteil - die Tiere auf Südgeorgien und in der Antarktis stehen unter Naturschutz. Bis auf die Touristen der Schiffe und einige Forscher verirrt sich niemand mehr in diese Buchten und so konnten sich die Populationen der Tiere erholen. Sie sind immer noch ohne Argwohn oder Angst und gerade das berührte uns zutiefst.
Zurück an Bord verschlangen wir unser Mittagessen, aber an diesem Tag hatten wir es uns wirklich verdient. Indessen nahm unser Kapitän Kurs auf Grytviken, das an der Nordostseite von Südgeorgien mitten in den Bergen liegt. Dazu fuhren wir mit dem Schiff in den Ostarm des Cumberland-Fjords hinein.
Das Wetter war nach wie vor traumhaft und die Landschaft einzigartig schön. Vor schneebedeckten hohen Bergen, lagen kleinere zum Teil mit Gras bewachsene Hügel. Dazwischen waren immer wieder Gletscher zu entdecken, die bis ins Meer gingen und Buchten, in denen sich Tiere tummelten. Im milchig grünen Wasser schwammen unzählige kleine hellblaue Eisberge. Die Sonne lachte vom Himmel zwischen fotogenen Wolken hindurch.

So fuhren wir in die King-Edward-Bucht ein. Schon von weitem sahen wir die Forschungsstation und auf der anderen Seite der Bucht die alte Walfangstation Grytviken. Diese Walfangstation blühte damals regelrecht auf und machte enormen Profit. Im Sommer lebten hier bis zu 500 Leute und im Winter bis zu 100. Die Station wurde 1904 von dem berühmten norwegischen Walfänger Kapitän Carl Anton Larson gegründet. 1913 bekam die Station sogar eine richtige Kirche, die heute noch zu besichtigen ist. 1965 wurde die Walfangstation geschlossen. Bis dahin wurden dort 54 100 Wale und 5000 Robben abgeschlachtet. Was für ein trauriger Rekord.
Wir legten am Pier der Forschungs- und Verwaltungsstation der Insel an und fuhren mit den Zodiacs zur alten Walfangstation rüber. Zuerst besuchten wir Shackletons Grab und tranken dort einen Whisky ihm zu Ehren, den Pierre uns beim Betreten des Friedhofs einschenkte.
Danach wanderten wir durch die Geisterstadt an der Bucht entlang. Auch hier wurde das Territorium wieder von See-Elefanten und einigen Robben belagert. Sie hatten sich zurückgeholt, was ihnen genommen wurde. Einige Walknochen zeugten noch von den damaligen Aktivitäten - man sah fast das Blut vor sich und fühlte die Qualen der Tiere. Einige Walfänger-Boote mit Harpunen bestückt lagen rostend an den Pieren, andere waren schon fast im Meer versunken. Die Stadt war wirklich groß. Unzählige Tranbottiche, Kochbehälter, Maschinen, Ketten, Lagerhallen, Kühlhäuser, Wohn - und Verwaltungshäuser legten Zeugnis vergangener goldener Zeiten ab.
In der Post konnten wir Karten schreiben und abgeben und auch das wirklich lohnenswerte Walfangmuseum besichtigten wir. Dort rühmte sich ein grausig aussehender grobschlächtiger Kerl auf Fotos damit ca. 6000 Wale erlegt zu haben.
Nachdenklich und fast erschlagen von der bedrückenden Atmosphäre dieser Stadt wanderten wir zur Kirche, die etwas abseits lag. Die Sonne hatte sich schon hinter die Berge zurückgezogen, es wurde immer kälter und wir beschlossen zum Schiff zurück zu wandern. Ein kleiner Weg führte direkt zur Station und damit zu unserem Schiff. Immer noch bedrückt und gedankenverloren legten wir ihn zurück. So viel Leid und Tod lagen in der Luft. Das mussten wir erst einmal verdauen.
Abends gab es ein BBQ zu dem auch die Betreiber der Post, des Museums und der Forschungsstation kamen.  Das Wetter war immer noch toll und so grillten unsere Köche auf Deck 5 im Freien Garnelen, Spare ribs, Rindersteaks, Gemüse und andere leckere Sachen. Dazu gab es eine große Auswahl an Salaten – wunderbar angerichtet.
Dank Kurt, der ja schon öfters mit der Polar Star unterwegs war, waren wir rechtzeitig in der Observation Lounge und hatten an einem runden Tisch mit Sesseln Platz gefunden. Sonst hätten wir auf den Stuhlreihen, auf den Knien oder im Stehen essen müssen, denn es war einfach nicht genug Platz an den Tischen für die ganzen Menschen dort. Zu uns gesellten sich noch Zdenko und seine Frau.
Nach dem Essen spielte Ian mit ein paar Jungs aus der Forschungsstation irische Lieder mit Gitarre, Fiedel und Trommel. Als dann getanzt wurde, machten wir uns auf ins Bett, denn der Tag war lang und wir sehr müde.
Dienstag, 30.11.2010
11. Tag
Am nächsten Morgen landeten wir nach dem Frühstück um 8.30 Uhr auf Godthul an. Der ganze Strand war mit Walknochen übersät. Neben unzähligen Pelzrobben am Strand standen ein paar Grüppchen von Königspinguinen im hohen Tussokgras und beäugten uns. Vorbei an den Robben kletterten wir einen Hügel hinauf, wo in zwei riesigen Kolonien Eselspinguine ihre Jungen aufzogen. In jedem Nest lagen zwei flauschig hellgraue Küken und wurden liebevoll von einem Elternteil umsorgt, während der Partner den langen, beschwerlichen Weg bis zum Meer läuft und dort Futter für die Kleinen besorgt. Wenn man bedenkt, wie wir Menschen schon schnauften, bis wir oben waren, wie beschwerlich muss der Weg erst für so einen kleinen watschelnden Vogel sein.
Wieder warteten Skuas auf eine passende Gelegenheit, um ein Küken aus dem Nest zu stehlen, aber die Eselspinguine sind wahre Meister in der Verteidigung. Wenn zwei Raubvögel sich an einem Nest zu schaffen machen und der Pinguin überfordert war, kam sofort ein anderer Pinguin zu Hilfe geeilt und verjagte die lästigen Räuber. Vor den spitzen Schnäbeln der Pinguine nahmen sich die Skuas in Acht und hielten genug Abstand. Trotzdem versuchten sie es immer wieder und brachten Unruhe in die Kolonie.
Um die Mittagzeit herum wurden immer mehr Küken hungrig und bewegten sich. Sie hoben ihre kleinen Köpfchen und bettelten die Eltern an. Was für ein Schauspiel. Gerne wären wir noch geblieben, aber das letzte Zodiac ging um 11 Uhr und so mussten wir uns beeilen und den steilen Hügel wieder hinab steigen. Leider hingen die Wolken sehr tief an diesem Morgen, aber erst als wir wieder im Zodiac saßen, fing es an zu nieseln. Trotzdem fuhren wir noch mit Ian die Küste entlang und genossen die spektakuläre Landschaft. Wasserfälle rauschten in die Tiefe, gespeist aus Gletscherseen oberhalb der Klippen. Unzählige Pelzrobben mit neugeborenen Jungen lagen in kleinen Buchten und beäugten uns skeptisch. Hohe Wellen ließen unser Schlauchboot auf und ab tanzen. Eine Welle warf uns in eine kleine Felsen-Nische. Der Motor starb ab, aber Ian hatte alles im Griff und schnell war die Gefahr gebannt und wir schipperten zurück zur Polar Star. Durchgefroren kamen wir an. Mittlerweile regnete es richtig. Die Wolken hingen immer tiefer, so dass die Berge kaum noch zu erkennen waren. Robben begleiteten unser Schiff. Ihnen machte der Regen nichts aus und voller Lebensfreude sprangen sie wie Delphine durch das Wasser.
Am Nachmittag legten wir in Gold Harbor an. Das ist eine nach Osten gerichtete Bucht im Süden von Südgeorgien. Leider hatte sich das Wetter nicht gebessert und es war zugezogen und nasskalt. In dieser Bucht leben mehr als 25 000 Königspinguin Brutpaare. Der ganze Strand war mit Pinguinen übersät. Dazwischen lagen unzählige See-Elefanten. Im Hintergrund der Bucht schaut man auf den Bertrab-Gletscher, von dem man ca. 2 km entfernt ist. Wir wanderten den Kiesstrand entlang. Zum Glück regnete es nicht mehr, auch wenn die Wolken sehr tief hingen. Als Chris gerade ein paar Pinguine fotografieren wollte, kam ein See-Elefantenbaby immer näher zu ihm und schnuffelte an seiner Kleidung. Dann kuschelte es sich an ihn und suchte ganz eindeutig Nähe, Wärme und Geborgenheit. Zu mir kam das Kleine auch noch gerobbt und schnuffelte mich ab. Ich musste meinen ganzen Willen aufbieten, um es nicht zu streicheln oder in den Arm zu nehmen.
Schade, dass See-Elefanten so dermaßen groß werden, denn der Kleine hätte gerade noch so in unsere große Reisetasche gepasst. Doch er war ja erst ein bis zwei Monate alt und würde noch ein paar Meter an Länge wachsen und ein Gewicht bis zu 5 Tonnen erreichen. Das war uns dann doch etwas zu groß und schwer.
An einem anderen Strandabschnitt wohnten wir noch einer See-Elefantenhochzeit bei. Wahnsinn wie liebevoll er seine Flosse um sie legte und sie zusammen kuschelten. Am meisten begeisterte uns jedoch Matthew Swan, der sich gar nicht mehr einkriegen konnte und begeistert die See-Elefanten immer wieder umrundete und ein Bild nach dem anderen machte.
Matthew gehörte ja praktisch zur Crew, aber besonders fiel er immer wegen seiner diversen und völlig andersartigen Kopfbedeckungen und Brillen auf. So trug er an diesem Tag eine rostrote Fellmütze, die an einen Waschbären erinnerte und dazu eine rosa Herzchen-Sonnenbrille.
Andere junge See-Elefantenmännchen mussten immer wieder ihre Kräfte messen und ein durchdringendes Röhren lag über dem Strand. Dazu kam der fast schon abartige Mund-Geruch, der gleich über den Tieren hing. Da machte man schon freiwillig schnell einen Schritt rückwärts.
Den riesigen fast ausgewachsenen Tieren kamen wir lieber nicht zu nahe, denn auch wenn sie sehr friedlich waren, hatten sie einfach etwas zu viel Gewicht auf den Rippen und nahmen nicht wirklich Rücksicht, wenn sich ein vermeintlicher Konkurrent näherte. Dann stellten sie sich auf, zogen ihre Rüssel kraus und zeigten Zähne, dazu wurde dann sehr eindringlich geröhrt. Chris meinte immer ein ganzer Trupp Bauarbeiter rülpste auf einmal in voller Lautstärke. Schnell wurde auch mal der Konkurrent weggedrückt, oder er floh leicht panisch ein Stück den Strand hinab.
Überall am Strand liefen weiße Weißgesicht-Scheidenschnäbel herum, mit dem sehr klangvollen englischen Namen Snowy Sheathbill. Sie waren immer auf der Suche, um irgendwo und -wie den Pinguinen Nahrung zu stehlen. Aber sie waren auch sehr frech und kniffen z.B. schnell mal einen See-Elefantenbullen in die Nase. Der sprang voller Wut auf und schimpfte lautstark. Bei mir untersuchten sie die Gummistiefel und zwickten wie die Wilden auf das Gummi ein.
Chris hatte eine ähnliche Begegnung mit einem Skua, der an seinen Gummistiefeln pickte und den er gar nicht mehr los wurde.
Der ganze Strand wurde vom Rufen der ausgewachsenen Königspinguine beschallt. Zwischen den tieferen Tönen klang immer das Zwitschern der Jungpinguine durch. Es war einfach wundervoll. Eltern gingen mit ihren Jungen spazieren, die sie immer wieder anbettelten. Oftmals waren wir mittendrin und genossen das Schauspiel. Wieder einmal verging uns die Zeit viel zu schnell, obwohl wir 4 Stunden hatten und viele unserer Mitreisenden schon lange vor uns an Bord zurückgekehrt waren.

Am Abend machten wir auf dem Weg zurück zum Schiff noch einen kurzen Abstecher zum hängenden Gletscher. Dazu fuhren wir zuerst am vollbesetzten Pinguinstrand vorbei und dann direkt in die Bucht hinein. Jetzt waren wir mittendrinn zwischen kleinen Eisschollen und Minieisbergen. Einer unserer Mitfahrer wollte ein Stück Eis an Bord holen, aber er unterschätzte das kleine Eisstück und wäre fast ins Wasser gefallen. Keine Chance ein ca. 20 cm großes Stück Eis aus dem Wasser zu heben, denn nur ein sehr kleines Teil von dem Eisberg schaute aus dem Wasser, der weitaus größere Teil lag unterhalb der Wasseroberfläche. Ein weitaus kleineres Stück konnte er dann doch noch an Bord hieven, es schaute ca. 5 cm aus dem Wasser und war ein Brocken von gut 30 cm Durchmesser. 
Der hängende Gletscher lag in seiner ganzen Schönheit und Erhabenheit über uns. Doch er stimmte uns auch etwas traurig, denn vor gar nicht all zu langer Zeit war noch die ganze Bucht von dem Eis des Gletschers gefüllt und nun zog er sich mehr und mehr zurück. In Grytviken hatten wir davon Bilder gesehen. Wenn die Gletscher weiter zurückgehen, kommen Nager über die Gletscher in bisher „saubere“ Gebiete und bringen Krankheiten für die Tiere mit sich. Das ist eines der wichtigsten Themen, mit denen sich die Forschungsstationen in Gytviken befasst.
Am Abend beim Essen gab es jedoch nur ein Thema. Mathew saß bei uns am Tisch mit Ian, Mike und Aron (von der Crew) und allen erzählter er voller Begeisterung von den sich paarenden See-Elefanten. So hatten wir unseren Spaß und waren diesmal mit Sicherheit der lauteste Tisch im ganzen Speisesaal.
Nach dem Briefing um 21 Uhr gingen wir sehr schnell ins Bett, denn am nächsten Morgen hieß es schon um 3 Uhr aufstehen.
Mittwoch, 01.12.2010
12. Tag
Trotz des schlechten Wetters entschloss sich Hannah die Morgenlandung auf St. Andrews Bay durchzuführen, denn die Wolken hingen zwar sehr tief, aber es regnete nicht. So erklang ihre nette Stimme um 3.10 Uhr durch unseren Lautsprecher und weckte uns. Schlaftrunken zogen wir uns an und waren wie immer die Ersten im Zodiac.
In St. Andrews Bay befindet sich eine der größten Königspinguin-Kolonien Südgeorgiens. Sie umfasst bis zu 100 000 Pinguine. Im Zentrum dieser gewaltigen Kolonie befindet sich der Fluss, der von den beiden Gletschern Heaney und Cook gespeist wird.
Die sicherlich einmalig schöne Landschaft lag jedoch grau und trostlos vor uns. Es nieselte leicht, aber zum Glück war es nicht all zu kalt. Wir wanderten bis zu dem reißenden Fluss am Strand entlang und dann hinter bis zum Gletschersee.
Überall standen unsere kleinen Pinguin Freunde herum, aber auch Rentiere, Ohrenrobben und See-Elefanten waren wieder zahlreich vertreten.
Die Pinguine waren nass und Regentropfen sammelten sich auf ihren Köpfen. Jenseits des Flusses waren noch viel mehr Pinguine und dort lag auch das Herz der Kolonie mit unzähligen braunen nassen Flauschkugeln.
Zurück am Strand sahen wir, dass ein paar Mutige den Fluss durchquert hatten. Auch Kurt ließ es sich nicht nehmen und schritt direkt am Meer durch den Fluss. Dabei holte er sich jedoch nasse Füße und kam bei der Anlandung nach dem Frühstück nicht mehr mit.
Auch die Pinguine stürzten sich immer wieder in den Fluss und durchschwammen ihn.
Wir blieben jedoch am Strand und überquerten ihn nicht. Auch auf dieser Flussseite gab es genug Pinguine und See-Elefanten zu beobachten. Ein See-Elefantenbaby kam wieder zu uns und beschnüffelte zuerst Chris, dann den Foto und zuletzt mich. Mit ihren großen treuherzigen Kulleraugen schauen einen diese hilflosen Geschöpfe direkt ins Herz und eroberten es im Sturm. Ob wir wollten oder nicht; wieder fraß sich dieses dümmlich glückliche Grinsen in unsere Gesichter.
Als Chris am Boden lag und Königspinguine fotografieren wollte, kamen einige immer näher und recken neugierig ihre Hälse zu dem am Boden liegenden undefinierbaren Tier. Es sah so lustig aus und wir mussten immer wieder loslachen. Einer kam zu mir und probierte sogar mit seinem Schnabel unser Stativ. Ich wusste jetzt schon, dass ich diese kleinen Kerle vermissen würde und schon setzte ein wenig Melancholie bei mir ein.
Mit dem vorletzten Boot fuhren wir total durchgefroren aufs Schiff zurück. Für einen Augenblick kam die Sonne durch und ließ das Meer glitzern.
An Bord gab es erst einmal ein herzhaftes Frühstück, bevor wir uns wieder an Land begaben.
Das Wetter hatte jedoch kein Erbarmen mit uns, denn nun regnete es richtig. Die Wolken hingen noch tiefer – wir hätten nicht gedacht, dass das möglich wäre, aber es ging. Dunstwolken hingen über der Bucht und den Pinguinen. Die Säcke für unsere Schwimmwesten wurden von See-Elefantenbabys belagert, die keinen Millimeter zu Seite gingen, als wir versuchten dort unsere Schwimmwesten hinein zu legen.
Wir wanderten wieder am Strand entlang, doch diesmal wollten wir den Fluss durchqueren, um in das Herz der Kolonie schauen zu können. Aron stand an einer Stelle, die zuvor von Pierre und Wendy ausgetestet wurde und ein Durchqueren des Flusses möglich machte. Chris nahm mich an die Hand und gemeinsam wateten wir langsam durch die reißenden Fluten. Das Wasser ging mir bis zum Knie, aber die Stiefel und die Hose mit den Gamaschen ließen die Nässe nicht durch und so kamen wir trockenen Fußes am anderen Ufer an.
Auf der anderen Seite sahen wir erst wie viel Pinguine sich dort noch befanden. Soweit das Auge reichte, war alles voll mit grau weiß gelb-orangen Farbtupfern. Mittendrin waren tausende brauner Tupfer. Eine wirklich gigantische Kolonie. Wir liefen bis zu den kleinen braunen nassen Flauschkugeln, die wieder wunderschön zwitscherten und genossen trotz des Regens unseren Aufenthalt aus tiefstem Herzen. Auch hier gab es wieder zig verschiedene Entwicklungsstufen der Pinguine zu bewundern. Wieder einmal war von großen braunen Teddypinguinen bis zu Punkern alles geboten. Doch diesmal hatten alle etwas gemeinsam – sie waren tropfnass. Wir wanderten auf einen kleinen Hügel hinauf, wo schon ein paar Leute von uns standen. Von hier oben hatten wir einen fantastischen Blick über die Kolonie.
Schade, dass es so stark regnete, aber Chris machte das Beste aus der Situation und versuchte sich in Pinguin-Tropfen-Bildern.
Auf der Suche nach Beute überflogen Skuas die Kolonie und wurden immer wieder fündig. Hier lagen einige tote Robbenbabys, aber auch tote Pinguine herum und wurden von den Raubmöwen genüsslich verspeist.
Zurück an unserer Anlandungsstelle waren die Schwimmwesten immer noch von See-Elefantenbabys belagert und Pierre fragt uns: “wollt Ihr eine Weste, oder lieber einen See-Elefanten“ Ich wollte lieber einen Elefanten, aber bekam dann doch eine Weste. Irgendwas musste Pierre da missverstanden haben.
Zurück an Bord gingen wir gleich duschen, denn wir waren völlig durchgefroren, außerdem würden wir am Abend das offene Meer erreichen und da war Sturm angesagt.
Nach dem Mittag – leckeren Nudeln mit Shrimps – saßen wir in unserem Zimmer und schauten nach draußen. Die Küste von Südgeorgien lag unter dichten Wolken. Als wir an Gold Harbor vorbeifuhren, riss die Wolkendecke auf und die Sonne beschien den hängenden Gletscher sowie die Berge ringsherum. Schnell waren wir draußen und machten fasziniert ein paar Bilder und schon senkten sich die Wolken wieder herab und nichts war mehr zu sehen, außer Dunst.
Dafür schien nun die Sonne auf unser Boot. Wir schauten uns ein paar Bilder auf dem Laptop an, bis mir immer weiter die Augen zu fielen und ich mich hinlegen musste. Kaum war ich eingeschlafen, da riss Chris mir auch schon wieder die Decke weg. Empört schimpfe ich los, bis mein Blick seinem folgte. Der Dunst war weg und die Sonne beschien das Land. Vor uns lag Südgeorgien in seiner ganzen Schönheit. Schneebedeckte grobfelsige Berge mit eisblauen Gletschern wurden von der Sonne beschienen. Das Meer leuchtete wieder türkis, Sturmvögel begleiteten das Schiff und Gischt spritzte von den Wellen davon. Südgeorgien mit Cooper Island strahlte sich tief in unsere Herzen und still versprachen wir wieder zu kommen. Einen schöneren und zugleich schwereren Abschied hätte uns Südgeorgien nicht bereiten können.
Chris war hin und weg und rannte wie ein Huhn auf Speed ständig raus und rein. Seine Begeisterung wirkte ansteckend und wieder einmal schossen wir Unmengen an Bildern.
Als wir Südgeorgien immer weiter hinter uns ließen, wurde auch der Dunst wieder dichter und der Vorhang schloss sich.
Am Abend wurden, wie von Hannah angesagt, die See immer rauer und die Wellen immer höher. Es machte uns jedoch nichts aus und wir ließen uns in den Schlaf schaukeln.
Donnerstag, 02.12. - Freitag, 03.12.2010
13. Tag
An diesem Morgen war wieder einmal Zeitumstellung - diesmal bekamen wir eine Stunde zurück und dadurch wurde das Warten auf das Frühstück um 8 Uhr sehr lang. Zum Glück hatten wir noch ein paar Kekse in der Schublade, die uns über den größten Hunger hinweg halfen.
Die Wellen waren noch höher als am Vortag, aber wenigstens schien die Sonne.
Nach dem Frühstück lauschten wir Joes Vortrag über Eiswelten im Meer und an Land.
Danach machten wir einen kurzen Ausflug auf die Brücke. So langsam rebellierte mein Magen und mir wurde immer schlechter. Zum Glück hatte ich mein Pflaster und einen Kaugummi dabei. Der Kaugummi half wieder augenblicklich und das Pflaster wirkte im Laufe der Zeit. Auf der Brücke ging es mir gleich besser, auch wenn die Gischt einiger Wellen auch bis hier oben kam. Irgendwie war es ruhiger und etliche der Passagiere hatten sich hierher geflüchtet.
Um 11 Uhr besuchten wir Pierres Vortrag über Krill. Das sind garnelenähnliche Krebstiere, die riesige Schwärme bilden und die Hauptnahrung vieler Wale, Robben, Pinguine, Albatrosse, Eisfische, Tintenfische und vieler anderer Vögel sind. Zum Glück ist Krill für den Menschen nicht genießbar, denn sonst wäre davon sicher nicht mehr viel übrig und die genannten Tierarten würden vor dem Aussterben stehen.
Mit einiger Besorgnis beobachtete ich die Wellen, die sich immer weiter steigerten. Sie hatten sicher schon 5-6 Meter Höhe erreicht. Die Fenster auf Deck 5 waren mit Tropfen übersät und immer wieder schwappte Gischt dagegen. Wenn man auf der einen Seite nur Meer und Wellen sah, war auf der anderen Seite nur Himmel zu sehen. Die Stühle knarrten im Takt der Wellen. Doch die Sturmvögel hatten ihren Spaß und begleiteten das Schiff auch weiterhin.
Chris war unglaublich. Er brauchte nichts an Medikamenten und hatte auch noch seinen Spaß.
Am Nachmittag schauten wir uns den Zeichentrickfilm „Happy Feed“ an. Darin wird die Geschichte des kleinen Kaiserpinguins ‚Mumble‘ erzählt, der durch ein Versehen seines Vaters beim Brüten der Kälte ausgesetzt wurde und nun nicht singen kann. Dafür kann er jedoch steppen. Er wird verstoßen und will die Überfischung der Meere aufklären und die Menschen dazu bewegen, die Überfischung einzustellen und hat Erfolg.
Eigentlich hatte mir dieses Musical als deutsche Synchronisation nicht gefallen, aber hier auf dem Weg in die Antarktis und komischerweise auf Englisch begeisterte mich dieser Zeichentrickfilm. Die Figuren waren so realistisch dargestellt, dass wir einfach mit lachen mussten. Besonders gut waren mal wieder die See-Elefanten getroffen, die in einer Tour rülpsten, aber auch die Adelie Pinguine, als kleine quirlige Spanier waren zum Wegwerfen komisch. ‚Hola Chicas‘ – wenn ich das höre, werde ich wohl immer wieder diese liebenswerten Kerlchen vor mir sehen. Wir hatten auf alle Fälle unseren Spaß und vergaßen ein wenig die hohen Wellen.
Später gab der Kapitän Anweisung die Fenster abzuschotten, denn es wurde noch mehr Sturm erwartet. Wir wurden auch nicht enttäuscht, denn die Wellen steigerten sich auf 7 Meter und das Schiff schwankte bis zu +/- 25%. Was für ein Geschaukel!
Simon redete am Nachmittag über Delphine und Wale. Wieder stand er breitbeinig vor uns und bewegte sich im Takt der Wellen. Das Mikro an den Bart geklemmt und schon wieder hätten wir uns kaputtlachen können. Dazu hatte er dieses Funkeln in den Augen, denn er war sich durchaus bewusst, wie witzig er wirkte.
Um 18 Uhr fand an diesem Tag schon das Briefing statt und Hannah sagte wegen dem schlechten Wetter den Film „Ice Worlds“ von David Attenborough ab.
Wir waren eh so müde, dass wir bald nach dem Abendessen, zu dem nicht sehr viele Leute erschienen, in unsere Kojen fielen. Die Fenster waren ja mit dicken Metallplatten verriegelt und so konnten wir nichts sehen, sondern nur spüren. Das Meer tobte und immer wieder hörten wir Wasser gegen die Fenster klatschen. Das Boot neigte sich beträchtlich. Doch es gab auch immer wieder trügerische Ruhephasen, in denen wir kurz Luft holen konnten, bevor der Tanz auf den Wellen weiter ging.
Irgendwann mussten wir dann doch eingeschlafen sein. Doch erholsam war der Schlaf in dieser Nacht ganz sicher nicht. Unzählige Male weckte uns das Rollen des Schiffes und wir stemmten uns in unsere Betten, um ja nicht rauszufallen. Manchmal hatten wir fast das Gefühl, dass uns die Welle aufrichtet und wir nun senkrecht im Bett standen. So schlimm war es zum Glück dann doch nicht, aber die Badezimmertür ging immer wieder auf und knallte gegen die Wand. Dazu kam, dass der Abzug im Waschbecken pausenlos versuchte nicht vorhandenes Wasser abzusaugen und sehr laut röchelte. Es war heftig. Zum Glück wurde mir Dank der Medikamente nicht schlecht.
Beim Frühstück erzählte Ian uns, dass er nun wisse, wozu die Gurte im Doppelstockbett seien, denn ihn hatte es aus dem Bett gehoben. Zum Glück hatte er sich nichts getan und konnte über seinen Stunt schon wieder lächeln.
An diesem Morgen waren nur sehr wenige Leute beim Essen, aber wir hatten das Gefühl, dass sich die See etwas beruhigt hatte. Trotzdem kippte immer wieder Geschirr um und es war schon eine Herausforderung sich etwas zu Essen zu holen.
Als wir wieder in unser Zimmer kamen, waren die lästigen Metallplatten von unserem Fenster verschwunden und wir konnten wieder hinaus schauen. Es ist schon komisch, denn sofort fühlten wir uns in unserem Zimmer wieder wohler und nicht mehr so eingesperrt. Die Tür nach draußen auf unser Deck 3 war jedoch immer noch gesperrt. Das Deck stand ziemlich unter Wasser und ein Ende der hohen Wellen war nicht absehbar. Trotzdem hatten unsere Begleitvögel ihren Spaß und flogen mit den Wellen synchron auf und ab.
Wir schauten mal wieder auf der Brücke vorbei, diesmal mit der Kamera, denn sonst würde uns ja niemand diesen Sturm glauben. Von hier oben sah es nicht mehr ganz so schlimm aus und wir durften sogar hinaus gehen. Ich sparte mir das, aber Chris wollte ja ein paar Wellenbilder und ein Filmchen machen – also ging er hinaus. Durch die Scheibe sah ich ihm zu, wie er zusammen mit Zdenko versuchte Bilder zu machen. Egal, wie das Schiff sich auch gebärdete Chris stand wie ein Fels in der Brandung an der Reling. Doch die Wellen waren trügerisch. Es sah gar nicht so wild aus, als das Schiff in ein Tal eintauchte, aber dann schob sich eine gewaltige Gischt-Welle über Bord und ging hoch bis zu uns auf Deck 7. Das Wasser platschte gegen die Scheibe und ich duckte mich automatisch. Aber was war mit Chris? Ich sah ihn gerade noch abtauchen und reckte gleich darauf den Hals.
Rings um mich herum lachten alle, als zwei patschnasse Gestalten  von draußen herein kamen. Der Bordoffizier reichte Chris gleich ein paar Tücher, denn die Kamera tropfte nur so, aber auch Chris war richtig nass. Wir konnten uns vor Lachen fast nicht mehr halten.
Natürlich startete mein unerschrockener wasserfester Freund gleich noch ein paar weitere Versuche, aber so lustig wurde es nicht mehr.
Dafür entdeckten wir einen Antarktis Albatros, der jetzt schon das Schiff begleitete und sich auch durch die riesigen Wellen nicht beirren ließ.
Um 9.30 Uhr lauschten wir Simons Bericht über die Vögel der Antarktis und der Drake Passage. Die Sitzreihen in der Observation Lounge stöhnten und ächzten wieder mit den Wellen im Takt. Es war der blanke Wahnsinn, den Wellen zuzuschauen. Weiße, vom Sturm gepeitschte Schaumkronen, tanzten auf dunkelblauem und zum Teil türkisen Wasser. Der Horizont war nur selten zu sehen, dafür flogen immer wieder Seevögel an den Fenstern vorbei. Der Himmel war tief grau, doch ab und zu stahl sich die Sonne durch die Wolkenmasse und lies das Wasser glitzern und uns ungläubig die Augen zusammen kneifen. Wie konnte denn bei so einem Sturm die Sonne scheinen, fragten wir uns. Würde es vielleicht bald eine Wetterbesserung geben?
Nach einer weiteren Staubsaugerparty, bei der wir Südgeorgiens Samen und Keime aus unseren Klamotten in sicheren Beuteln verwahrten, lauschten wir David Attenboroughs Ausführungen zur Arktis und Antarktis. Danach erzählte uns Mike Beedell etwas über sein Leben als Extremfotograf. Nur noch wenige Leute saßen mit uns in der Lounge. Die Wellen hatten sich immer noch nicht beruhigt.
Am Nachmittag gingen wir duschen. Das war ein Spaß. Die Füße in den Boden verkeilt und nur keine Bewegung machen – denn das machten ja schon die Wellen und dazu auch noch die Rollbewegung des Schiffes. Mit den Wellen einseifen und alles wieder ausspülen. Dabei hatte ich schon meine liebe Mühe doch Chris setzte gleich mal das Bad unter Wasser.
Zum Abendessen waren wir fast alleine. Diesmal wurde sogar serviert und es gab keine Suppe. Auf Grund des Sturms fiel leider auch Ians Antarktis Konzert aus. So gingen wir schon bald in unsere Zimmer, die wieder einer Konservenbüchse ähnelten, denn unsere Fenster waren aufs Neue abgeschottet.
Die Nacht verbrachten wir wieder mehr schlecht als recht, denn abermals beutelte der Sturm unser Schiff ganz arg. Hinzu kam, dass Chris sich eine Erkältung eingefangen hatte, die ihn ebenfalls um den Schlaf brachte.
Samstag, 04.12.2010
14. Tag
Irgendwann im Laufe der Nacht flaute der Sturm ab und die Wellen wurden niedriger. Während wir frühstückten wurden auch die Fenster wieder von den Abschottungen befreit. Als wir ins Zimmer zurück kamen, lachte die Sonne durch unsere Scheiben.
Bei einem Ausflug auf die Brücke erfuhren wir, dass der Sturm uns einen halben Tag gekostet hatte und wir Elephant Island erst am Abend erreichen würden.
Endlich durften wir wieder an Deck gehen und die Sonne genießen. Eine riesige Gruppe von Kapsturmvögeln begleitete nun unser Schiff. Sie drehten elegant ihre Runden über dem Meer und in der Luft. Dabei kamen sie so nah an uns heran, dass wir nur die Hand ausstrecken bräuchten, um sie zu berühren.
Am Mittag schmeckte es wieder fast allen Mitreisenden. Es gab leckere Spinat-Lachs- Lasagne und gegrillte Butternut.
Am frühen Nachmittag gab Ian ein kleines Konzert. Lieder über Wale, Sturmvögel, See-Elefanten, Landschaften und unser Lieblingslied über Shackleton. Langsam keimte etwas Melancholie in mir auf, denn diese besondere Reise näherte sich unweigerlich ihrem Ende. Aber vorher stand ja noch die Antarktis auf dem Programm und dort hofften wir endlich auf Schnee und Eis. Im Laufe des Tages zog es wieder zu. So näherten wir uns Elephant Island. Zuerst sahen wir nur ein paar schroffe Felsen im Meer. Doch je näher wir kamen, desto schöner wurde die Insellandschaft. Zahllose Gletscher gingen bis ins Meer. Davor trieb unser erster haushoher Eisberg. Diese Gegend ist für extrem schlechtes Wetter bekannt, aber uns zeigte sich Elephant Island von seiner schönsten Seite. Die Sonne kämpfte sich zeitweise durch die dichten Wolken und beschien die Berge und Gletscher. Wolkenfetzen hingen zwischen den Felsen und Gletschern. Hannah steuerte unser Zodiac und meinte, dass sie es hier noch nie so schön erlebt hatte. Auf den Felsen nisteten wieder zahllose Pinguine und Seevögel. Robben lagen an Land oder glitten elegant durch das Wasser. Die Natur liefert dazu die passende Geräuschkulisse.
Hier an dieser eisigen und lebensfeindlichen Küste waren also Shackleton und seine Männer nach 497 Tagen auf dem Meer und von Eis eingeschlossen mit ihren kleinen Booten gestrandet. Von hier aus fuhren 6 Leute in einer ‚Nussschale‘ bei schwerstem Seegang weiter bis nach Südgeorgien und die anderen harrten aus und hofften auf Rettung. Die umgebauten Boote dienten ihnen an einem kleinen Strand als Unterkunft, die Lebensmittelvorräte schwanden täglich. Doch die Leute hielten durch und Shackleton rettete sie – wenn auch erst im 4. Anlauf.
Hannah legte in einer sehr kleinen Bucht an. Wir durften kurz an Land und hatten so auch unsere Füße in Shackleton Stapfen gesetzt. Die Bucht war so klein, dass wir gerade einmal genug Platz  hatten, ohne nasse Füße zu bekommen.
Zügelpinguine stapften durch den Schnee. Auch hier legten die kleinen Pinguine Wahnsinns Strecken zurück, um auf den höher gelegenen Felsen zu nisten.
Über Funk hörten wir, dass Simon mit seiner Gruppe einen Seeloparden entdeckt hatte. Hannah steuerte sofort in seine Richtung, aber der Bursche hatte sich schon unter Wasser verzogen. Trotzdem wir noch eine ganze Zeit warteten, kam er nicht wieder an die Oberfläche zurück.
Trotz gelegentlicher Sonne, kühlten wir auf dem Zodiac wieder extrem aus. Auch die drei Paar Socken halfen gar nicht, schon bald klapperten mir die Zähne und ich spürte meine Zehen nicht mehr.
Zurück an Bord duschten wir gleich ganz heiß und schon bald tauten auch meine Glieder wieder auf. Wir warfen noch einen letzten Blick auf die schroffen Felsen und Gletscher von Elephant Island, dann senkte sich auch schon wieder der Vorhang und die Insel verschwand im Dunst, als ob sie nie da gewesen wäre. Mystisch und faszinierend schön. Wir sahen nur noch das Meer.
Zum Abendessen gab es Monkfisch (Seeteufel), der super schmeckte. Bald darauf gingen wir schon wieder ins Bett, denn die Meerluft machte einfach müde.
Sonntag, 05.12.2010
15. Tag
Als wir am Morgen erwachten, passierten wir schon die schneebedeckten Berge der South Shetland Islands. Ein riesiger Eisberg trieb im Meer und schimmerte blau in der Ferne. Wale tummelten sich um uns herum, aber leider schwammen sie vor uns weg. Wir verbrachten viel Zeit an Deck und genossen das schöne Wetter.
Am Nachmittag erreichten wir Deception Island, eine der größten und beeindruckendsten Kraterinseln der Welt. Die wie ein Hufeisen geformte Insel ist ein eingebrochener aber immer noch aktiver Vulkan mit einer Caldera. Um hineinzufahren muss man Neptuns Blasebalg (Neptunes Bellow), eine sehr schmale Öffnung passieren. Es war wirklich beeindruckend, wie unser Kapitän diese heikle Situation meisterte und unser großes Schiff sicher in den Vulkansee steuerte. In der kleinen Bucht Whalers Bay gingen wir vor Anker. Zodiacs brachten uns an Land, wo uns wie immer Hannah und Ihre Crew beim Aussteigen halfen. In der Bucht befindet sich auch eine verfallene Walfang- und Forschungsstation. Heutzutage gibt es auf Grund ständiger Eruptionen nur noch einige Reste alter Bauten und ein paar mehr oder weniger stark verfallene Häuser zu sehen. Viele Knochen zeugen jedoch noch von vergangener Zeiten des skrupellosen Walfangs und der Ausbeutung unserer Natur. 1969 wurde dieser Ort zu einer geschützten historischen Stätte erklärt, denn er soll ein Mahnmal für den nachhaltigen Umgang mit unserer Natur und ihren Ressourcen darstellen.

An Land entledigten wir uns wieder unserer Schwimmwesten und folgten Mike, der mit Flaggen einen Weg kennzeichnete, den wir zu Neptuns Fenster gehen konnten. Denn ein Teil der Bucht ist eine Schutzzone, die nicht betreten werden darf. Vulkanlandschaft wohin wir auch schauten. Am Strand dampfte es leicht, so dass einige der Leute ein Bad im warmen Kraterwasser direkt am Strand genießen konnten. Dazu schaufelten sie sich ein kleines Becken frei und setzten sich in das warme Wasser.
Wir liefen vorbei an zerfallenen Booten und einigen Zügelpinguinen, die uns neugierig beäugten und folgten den Flaggen.
Über loses Kratergestein kletterten wir bis zu Neptunes Window hinauf und blickten durch ein Fenster auf die Klippen und weit hinaus ins Meer. Hier mussten wir sehr vorsichtig sein und durften uns nicht zu weit an den Rand begeben, denn das Vulkangestein war sehr porös.
Umgedreht hatten wir eine tolle Aussicht über die Bucht und den wassergefüllten Krater. Unser Schiff wirkte so richtig winzig in dem riesigen Krater und die kleinen Menschlein unten am Strand erst recht.
Auf dem Rückweg wanderten wir an den verfallenen Hütten entlang und begaben uns zum nächsten Aufstieg am anderen Ende der Bucht, den Aron ebenfalls mit Flaggen gekennzeichnet hatte. Dieser Berg bot auch wieder eine besondere Aussicht, denn von oben konnten wir sehr gut den ganzen Krater überblicken. Hier verweilten wir länger, denn die Aussicht war einfach fantastisch. Außerdem waren wir hier oben fast alleine und konnten so den Krater auf uns wirken lassen. Chris machte ein paar lustige Sprünge, die ich mit der Kamera festhielt – wir hatten unseren Spaß.
Zurück am Stand machten wir noch ein paar Aufnahmen von den verfallenen Gebäuden, den rostigen Dampfkochern, den Resten eines Traktors und anderen Details. Dazu bot das Wetter eine geniale Stimmung, denn es waren schwere schwarze Wolken am Himmel, durch die immer mal wieder die Sonne schaute und Spots auf Gebäude oder Berghänge warf.
Zurück am Zodiac-Sammelpunkt fragte Ian uns, ob wir mit ihm mitkommen wollen, denn er möchte in einem Tranbehälter ein Lied mit der Flöte spielen. Gerne folgten wir ihm und kletterten zusammen mit Aron und einer Amerikanerin durch ein ‚türgroßes‘ Loch in den Behälter. Gleich darauf fing Ian zu spielen an. Es war als ob sämtliche hier getöteten Wale ihr Leid klagten und nur mit Mühe konnte ich mir bei der ergreifenden Melodie die Tränen verdrücken. So viel Leid und Tod hatte dieser Behälter gesehen und nun standen wir mittendrin und lauschten den Klängen im Dunkeln.
Ergriffen gingen wir zurück zu den Booten. Zum Glück wurden wir dort gleich abgelenkt, denn heute war wohl Badetag. Zuerst sprang ein älterer Herr ins eiskalte Wasser, dann folgte ihm ein Jüngerer. Der war mit riesigem Flatterslip und Mütze bekleidet und bot ein urkomisches Bild. Wir saßen schon im Boot, als er sich in die Fluten wagte und auf Hannahs Bitte lief er sogar ein zweites Mal ins Wasser. Wir waren wirklich sprachlos und hatten einen Heidenrespekt vor seiner Leistung. Die Sonne war nämlich schon hinter den Bergen verschwunden, der Wind wehte einfach nur eisig - nichts auf der Welt hätte mich hier ins Wasser gebracht. Eigentlich wollte Chris auch in der Antarktis baden gehen, aber eine heftige Erkältung hielt ihn davon ab.
Mit Hannah drehten wir im Zodiac noch eine kleine Runde zu einigen Wedellrobben. Durchgefroren kamen wir zurück an Bord und wurden von Wendy und unserem Barmann aufs Herzlichste mit einer heißen Schokolade mit Rum willkommen geheißen. War das genial und sofort wärmte der Alkohol uns durch.
Nach dem Abendessen war noch Briefing und Recap. Danach zeigte uns Matthew Swan eine geniale Diashow mit einer tollen Musik. Er hatte unsere Zodiacdriver fotografiert und würdigte ihre Leistung bei Wind und Wetter.
Unser Schiff fuhr langsam und bedächtig weiter in die antarktische Landschaft hinein, das Meer war ruhig und wir gingen schlafen.
Montag, 06.12.2010
17. Tag
Um 4.15 Uhr schauten wir das erste Mal durch unsere Fenster nach draußen. Wir fuhren durch die Gerlach Strait links und rechts flankiert von schneebedeckten Bergen. Unzählige Eisberge schwammen im Wasser. Die Wolkendecke war fast geschlossen und nur hier und da kämpfte sich ein einzelner warmer Sonnenstrahl durch die dicken schwarzen Wolken und beschien einzelne Schneefelder. Das Meer war etwas aufgeraut und grau. Trotzdem schauten die Farben der Eisberge extrem toll aus. Oberhalb der Wasseroberfläche leuchteten sie hellblau und unterhalb strahlten sie türkis bis intensiv grün.
Immer wieder kämpfte sich die Sonne durch und das Wasser glänzte wie flüssiges Gold im Gegenlicht. Es war grandios. Jetzt waren wir endlich in der Antarktis angekommen, wie wir sie uns vorstellten - wo Schnee und Eis die Landschaft bestimmten, die Wolken tief hingen und man gar nicht wusste, wohin man zuerst schauen sollte.
Immer mehr bahnte sich die Sonne einen Weg durch die Wolken und beschien das Eis spotweise in warmen Farben. Es war fantastisch. Leider wehte ein sehr eisiger Wind, der uns bald bis auf die Knochen auskühlte. Auf dem Meer tanzten Schaumkronen.
Zwei Stunden tummelten wir uns auf Deck, während die anderen noch schliefen. In dieser Zeit kamen auch noch Wale in Sicht, doch leider sah nur Chris sie, denn sie hatten wieder einmal kein Interesse an uns und schwammen schnell davon.
Als alle anderen an Deck waren, gingen wir wieder in unsere Betten, denn wir waren total durchgefroren.
Am Morgen legten wir in Port Lockroy an. Dieser Naturhafen liegt in einer gletschergeschützten Bucht an der Westseite der Wienckeinsel, die Teil des Palmerarchipels ist. Offen ist der Hafen nur nach Westen zum Neumayerkanal hin.
Nach dem Frühstück besuchten uns drei Mädels von der Forschungsstation. Sie erzählten uns etwas von ihrer Arbeit im Museum und im Shop und luden uns zu einem Gegenbesuch am südlichsten Briefkasten der Welt ein.
Unser Schlauchboot legte zuerst am Museum und Shop an. Da Nikolausi war, gab es für jeden von uns ein T-Shirt und auch zwei Postkarten fanden den Weg in den südlichsten Briefkasten der Welt. Leider hatte ich mein Adressbüchlein vergessen, denn ich hätte zu gerne ein paar Karten an Freunde geschrieben, aber so konnte ich nur fest an alle denken und hoffen, dass sie einen gewaltigen Schluckauf bekommen würden.
Am Museum quatschten wir kurz mit Joe, der uns einen Großteil der Reise verschwiegen hatte, dass er Deutscher ist, der in Kanada lebt und arbeitet. Danach brachte er uns mit dem Zodiac zu einer Eselspinguin Kolonie. Der Wind hatte mittlerweile Stärke 7 und wehte uns heftig um die Ohren. Mich warf er mehrmals um, denn wir mussten durch den Tiefschnee stapfen und dann noch gegen den Sturm ankämpfen. Chris hatte es gleich noch etwas ärger erwischt, denn er sackte im Schnee ein, fiel dadurch auf die Knie, kippte nach vorne und landete mit seiner Lippe hart auf der Kamera. Zum Glück war die Lippe nicht eingerissen, aber sie war sofort stark geschwollen und lief blau an.
Die Landschaft ist klasse. In einer Bucht stapelten sich schon fast die Eisbrocken. In einer anderen Bucht lagen faul Wedellrobben auf dem Schnee. Auf den Felsen brüteten Eselspinguine und Kormoranen. Die kleinen fleißigen Pinguine suchten hektisch nach Steinchen für ihre Nester, dabei schreckten sie auch vor Diebstahl beim Nachbarn nicht zurück.
Die Rückfahrt mit dem Zodiac wurde sehr nass, denn durch den Wind waren die Wellen extrem hoch und so schwappte die eine oder andere in unser Boot. Pitschnass kamen wir an der Gangway an. Auch hier mussten wir diesmal extrem aufpassen, denn die Wellen rissen die Leiter schnell mal einen Meter hoch, aber dank der fleißigen Helfer kamen wir gut und sicher auf dem Schiff an. Unsere nassen Sachen hängten wir gleich in unser Zimmer zum Trocknen, denn an diesem Tag würde es noch zwei weitere Anlandungen geben.
Nach dem Mittagessen fuhren wir durch die Southern Gerlache Strait bis in die Andvord Bay. Eine traumhafte Bergkulisse mit hellblauen Eisbergen, ins Meer auslaufenden Gletschern und verschneiten Bergen bot sich uns dar. Der Wind hatte sich fast völlig gelegt, die Sonne schien und es war relativ warm.
Am Nachmittag landeten wir in Neko Harbor an. Das ist ein kleiner Einschnitt im Osten der breiten Andvord Bucht. Hier fand einst das norwegische Walfangschiff Neko einen geschützten Ankerplatz. Diese kleine Bucht besteht aus einer rosafarbenen Granitwand auf der einen und einem Gletscher auf der anderen Seite.
Auf Neko Harbor leben wieder zahlreiche Eselspinguine, die fleißig beim Nestbau waren. Dazu wurde jeder mögliche schneefreie Platz genutzt. Die Wohngemeinschaften erinnerten an kleine Dörfer, wo jeder jeden kennt, wo man den Nachbarn liebt oder hasst. Wo jeder auf jeden schaut und auch mal hilft, wenn Gefahr droht. Mit Wegen waren die Dörfer verbunden und auch ein Weg führte zum Wasser, denn zum Einkaufen musste die Dorfgemeinschaft in die große Stadt.
Viele der Pinguine waren vom Krill und Kot ganz rot. Wenn sie dann endlich Zeit hatten ins Wasser zu springen, war erst einmal waschen angesagt. Dabei hatten die Kleinen richtig Spaß. Das Wasser spritzte nur so, immerzu tauchten sie auf und ab und schrubbten sich den Bauch mit den Flügeln.
Natürlich bewegten wir uns auch etwas. Joe hatte mit Flaggen einen Weg markiert, der uns auf einen kleinen Felssattel brachte. Man musste jedoch höllisch aufpassen, denn ein Schritt neben den festen Pfad und schon sank man mindestens bis zum Knie ein. Sehr beeindruckend fanden wir, dass die Fußspuren sofort blau leuchteten.
Vom Gipfel hatten wir eine hervorragende Aussicht auf den Gletscher unter uns, aber er tat uns nicht den Gefallen zu kalben. Zwar ächzte und stöhnte er vernehmlich, aber dann geschah doch nichts. Das Wetter hatte leider wieder zugezogen und nur noch wenige blaue Stellen waren am Himmel zu sehen.
Hinunter rutschten die Meisten auf dem Hosenboden, aber leider waren wir mit der Ausrüstung bepackt und so gingen wir den Weg tapfer wieder hinab und schauten dabei den anderen beim Rutsch-Vergnügen zu.
Unten angekommen beobachteten wir noch eine Wedellrobbe, die müde am Strand lag und die kleinen Pinguine auf ihren deutlich sichtbaren Wegen. Direkt an den Strand durften wir nicht gehen, denn wenn der Gletscher kalben würde, würde der Strand von etlichen tsunamiartigen Wellen heimgesucht und überflutet werden. Von so einer Situation hatten wir vorab ein Video gesehen. So hielten wir uns lieber oberhalb des Strandes auf und beobachteten die Pinguine beim Plantschen.
Mit dem Zodiac machten wir noch eine kleine Runde in der Bucht, dann ging es wieder zurück an Bord. Kurz umgezogen und schon stand wieder das tägliche Recap und Briefing an.
Danach gab es Abendessen, das diesmal etwas eigenwillig war. Es gab Lachs auf Sauerkraut mit Kartoffeln. Zum Glück schmeckte es besser als es sich anhörte.
Nach dem Essen war der letzte Landgang für diesen Abend geplant. Mit dem Zodiac fuhren wir in der Paradise Bay und landeten dort in der Nähe der argentinischen Forschungsstation ‚Almirante Brown‘. Der Schnee lag so hoch, dass von dem Haus an der Anlandungsstelle nur noch das obere Drittel zu sehen war.  Das Panorama in dieser ruhigen Bucht war einfach traumhaft. So liegt die Forschungsstation noch auf den flachen Ausläufern der Steilküste, aber dahinter türmen sich die gigantischen Berge mit ihren Gletscherfeldern bis in den Himmel hinauf.
Diesmal bahnte uns Wendy einen Weg mit Flaggen. Sie erzählte uns, dass sie diese Bucht liebt und immer wieder gerne den kleinen steilen Aufstieg auf sich nimmt, um von hier oben die Aussicht zu genießen.
Der Weg hatte es wirklich in sich, auch wenn es nur ca. 60 Höhenmeter waren. Durch die Fotorucksäcke waren wir wieder so schwer, dass wir ständig in den Schnee einbrachen. Bergauf war das schon eine Qual, denn stellenweise kamen wir fast nicht mehr alleine aus dem oberschenkeltiefen Schnee heraus. Nur mühsam ging es vorwärts, aber wir bissen uns durch und erreichten nassgeschwitzt den Gipfel. Oben angekommen war die Aussicht über die Bucht und auf die andere Bergseite jeden Schritt und jeden Tropfen Schweiß wert, denn es war einfach atemberaubend schön.  Um 21 Uhr stand die Sonne schon etwas tiefer am Himmel und kämpfte mit den Wolken, das Wasser schimmerte golden und lag still unter uns. Kein Windhauch war spürbar, nur die Eisberge trieben in ihrer ganzen Schönheit in der Bucht.
Auf dem Rückweg rutschten wir ein wenig. Dazu nahm ich die Fototasche auf den Bauch, aber so konnte ich nichts sehen und blieb trotzdem immer wieder stecken. Egal, es machte Spaß und war einfacher, als aufrecht immer wieder in den tiefen Schnee einzubrechen.
Mit Mike machten wir noch eine Zodiac Cruise vorbei an den Bergen und Gletschern der Bucht. Wir schipperten zwischen großen und kleinen Eisbergen hindurch und das alles in diesem tollen gedämpften Licht. Leider kühlten wir auf dem Boot wie immer extrem aus und schon bald konnte ich nicht mehr richtig fotografieren, so sehr zitterte ich. So schön die Fahrt auch war – so erleichtert waren wir auch, als wir diesmal schon als zweites Boot auf der Polar Star anlandeten. Zitternd gingen wir auf unser Zimmer und duschten so lange, bis auch die Knochen wieder aufgetaut waren.
Zum Abschluss dieses ereignisreichen Tages ließen wir uns in unsere Decken eingekuschelt ein Glas Rotwein schmecken und versuchten, alle Erlebnisse des Tages zu verarbeiten. Um 0.15 Uhr gingen wir endlich schlafen. Draußen war es immer noch hell. (Sonnenuntergang um 23:31 - Sonnenaufgang um 2:34 )
Dienstag, 07.12.2010
18. Tag
Chris wurde durch das Heraufziehen der Ankerkette geweckt und stand schon um 2.30 Uhr auf. Er schaute aus dem Fenster und sah das erste rötliche Leuchten auf den vereisten Berggipfeln. Wie er es aus dem Bett  schaffte, ist mir bis heute ein Rätsel, denn trotz aller Versuche wach zu bleiben, verschlief ich seinen heldenhaften Einsatz. Doch ca. 1 Stunde später wurde auch ich wach und schaute aus dem Fenster. Wir fuhren durch den Lemaire Channel  und damit durch eins der beeindruckendsten Gebiete der Antarktis. Schneebedeckte Berge ragten zu beiden Seiten des Schiffes auf. Gletscher rahmen das Ufer mit ihren bizarren Eisschichten ein. Eisberge und Schollen schwammen an uns vorbei. Die Sonne beschien gerade einmal den halben Berg und seine schneebedeckten Hänge leuchteten golden im warmen Licht. Eine wunderschöne Märchenlandschaft lag in der morgendlichen Stille vor mir. Da half alles nichts, ich musste raus. Warm eingemummelt und mit dem Foto bewaffnet, ging ich ans Deck und war ganz alleine dort. Alle schliefen noch und Chris war auf der Brücke. So gehörten diese Momente der Ruhe in einer Traumlandschaft aus Bergen, Gletschern, Eis und Meer mir ganz alleine. Ich stand vorne am Bug des Schiffes und wusste gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte, so fasziniert war ich. Immer wieder lief ich von links nach rechts und sog alles in mich auf.
Hier in der Antarktis dauerten die Dämmerung und das tolle Licht doch wirklich zwei Stunden, erst dann wurden die Farben normal.

Irgendwann entdeckte Chris mich und gesellte sich zu mir. Er hatte das Glück am frühen Morgen einen See-Leoparden auf einer Eisscholle zu sehen und fotografierte gemeinsam mit dem Kapitän von der Brücke aus.
Wir genossen gemeinsam den Moment, als die Sonne hinter den Bergen hervor kam und uns in die Gesichter schien. Es war so schön und friedlich, aber auch empfindlich kalt. Erst als die ersten Menschen an Bord kamen, gingen wir zurück auf unser Zimmer und kuschelten uns noch einmal in unsere Betten.
Um 5.30 Uhr erschall Hannahs Weckruf über den Lautsprecher. Jetzt hatte sich das Bild völlig verändert, denn eine dicke Wolkenschicht ließ die Sonne nicht mehr durch. Der Kanal war sehr eng und wir fuhren wieder durchs Packeis. Schnell waren wir auf dem Deck. In weiter Ferne sahen wir noch die von der Sonne beschienenden Berge leuchten.
Nach dem Frühstück hatten wir unsere letzte Anlandung - diesmal auf Yalour Island, dem südlichsten Punkt unserer Reise. Wir legten an der Insel an, wo Hannah und ihr Team uns schon erwarteten. Ein ausgetretener Weg führte uns zu einer Kolonie von Adelie Pinguinen. Das sind die kleinen flinken Flitzer aus Happy Feed – ‚Hola Chicas‘, die wie kleine Duracell-Hasen durch die Gegend laufen und einfach zum Knuddeln sind.
Sie nisten auf schneefreien Felsen und bauen wie die Eselspinguine Steinnester. Sie fallen besonders durch ihren hellen Augenring auf, der ihre Augen betont. In der Kolonie herrschte ein reges Kommen und Gehen. Sie hatten schon Eier gelegt und verteidigten ihr Nest gegen Steindiebe und lästige Nachbarn. Immer wieder schaute ein Pinguin nach den Eiern, wendete sie vorsichtig und setzte sich wieder darauf. Der Partner suchte unterdessen fieberhaft nach Steinchen für das Nest.
Auf der Insel konnten wir uns frei bewegen, aber durften uns den Pinguinen wie immer nur bis auf 5 Meter nähern. Das reichte jedoch völlig aus. Die Kleinen fühlten sich durch unsere Anwesenheit überhaupt nicht gestört. So stapften wir von einer Felseninsel zur nächsten. Der Weg war wieder einmal die pure Anstrengung, denn immer wieder sackten wir bis zu den Oberschenkeln im Schnee ein und kamen nur mühsam vorwärts.
Neben den Pinguinen war aber auch die Landschaft sehr schön. Schroffe schneebedeckte Felsen, Gletscher und Eisschollen im Wasser, machten auch hier die Landschaft zu etwas ganz Besonderen.
Nach diesem letzten Festlandaufenthalt gab es noch eine Zodiac-Tour entlang der Insel. Diesmal fuhren wir mit Joe. Wir kamen sehr dicht an ein paar Eisberge heran und konnten so wunderbar die himmelblauen Strukturen bewundern. Eiszapfen hatten sich an einigen Eisbergen gebildet. Vergängliche Natur von ihrer schönsten Seite. Auf einer Eisscholle entdeckten wir eine Krabbenfresser Robbe. (Sie ernähren sich eigentlich von Krill und nicht wie der Name vermuten lässt von Krabben.) Hier machten wir einen kurzen Fotostopp. Die Robbe ließ sich von uns überhaupt nicht stören, sondern wendete sich genüsslich nur ein paar Mal hin und her. Dann ging die Fahrt weiter und Joe steuerte eine Eisscholle an. Wir legten an und durften die Scholle betreten. Jetzt waren wir ein Teil der Eiswelt. Wir spürten das Wasser und die Bewegung des Eises. Wenn man so alleine – naja, fast alleine – auf dem Eis steht, merkt man mal wieder wie klein und unbedeutend man ist. Das war wieder so ein magischer Moment, den man nicht beschreiben kann, der sich aber unauslöschlich in mein Herz brannte und den ich niemals vergessen werde.
Hier endete nun unser letzter Ausflug in die geheimnisvolle Eiswelt der Antarktis. Still und melancholisch gingen wir an Bord, desinfizierten ein letztes Mal unsere Gummistiefel, hängten unsere Schwimmwesten an den Nagel und stapften ausgekühlt in unser Zimmer.
Die Polar Star legte ab und langsam fuhren wir zurück in Richtung Drake Passage. 
Wir fuhren durch die Dallman Bay und die Gerlache Strait - zwischen den Inseln Anvers- und Brabant Island durch, vorbei an Port Lockroy zurück ins offenen Meer. Das Wetter zeigte sich noch einmal von seiner schönsten Seite und so strahlten uns die Eisberge förmlich entgegen. Stundenlang standen wir auf dem Deck, schauten die arktische Eiswelt an und versuchten alles tief in uns fest zu halten. Immer wieder schwammen Eisberge an uns vorbei, von denen manch einer eine ganz besondere Form hatte. So sahen wir den einen oder anderen Pool, dann wieder ein Schloss mit vielen kleinen Türmen und kurz darauf ein paar Robben, die sich auf einer Scholle tummelten. Auch ein Adelie Pinguin schwamm auf einem Eisberg an uns vorbei – fast als wollte er uns verabschieden. Die Antarktis machte uns den Abschied ebenso schwer wie vorab Südgeorgien.
Hier hätten wir gerne noch ein paar Tage länger verbracht, auch wenn es furchtbar anstrengend war.
Am Abend erreichen wir die Drake-Passage. Der Wind blies mit Stärke 8 und die Wellen schaukelten sich auf 5-6 Meter hoch. Das hatten wir eigentlich schon viel schlimmer erlebt und trotzdem wurden unsere Fenster wieder verschlossen und die Decks gesperrt. Da war er nun der berühmt berüchtigte Drake-Shake.
Das Abendessen schmeckte noch, doch danach wurde mir übel. Diesmal war ich nicht schnell genug mit dem Kaugummi und dem Pflaster, so dass ich mich hinlegen musste. Im Arm hatte ich alle Glücksbringer; unsere zwei Glücksbärchen, den Königspinguin und meine kleine Robbe. Zusammen schafften wir das irgendwie. Nachdem ich kurz eingeschlafen war, müssen wohl die Medikamente gegriffen haben, denn als ich wieder wach wurde, war die Übelkeit vorbei. Mir ging es wieder gut.
Mittwoch, 08.12. - Freitag, 10.12.2011
19. - 21. Tag
Das war vielleicht eine Nacht. Wir haben kaum geschlafen. Immer wieder hielt uns der Wellentanz wach und wieder einmal mussten wir uns in unsere Betten krallen, um nicht heraus zu purzeln. Erst am Morgen schliefen wir etwas besser.
Wir verpennten fast das Frühstück um 8 Uhr, aber der Hunger trieb uns in den fast leeren Saal. Die Wellen waren immer noch ca. 5-6 Meter hoch und der Sturm blies mit gleicher Stärke wie am Abend.
Beim Frühstück sind schon wieder die Teller geflogen und auch mich hätte es beinahe samt dem Stuhl umgeworfen. Ein anderer Passagier konnte sich nicht mehr halten und lag mit dem Stuhl quer auf dem Gang.
Die Decks waren weiterhin gesperrt  und die meisten Vorträge wurden abgesagt, damit nicht zu viele Leute durch das Schiff liefen – die Verletzungsgefahr war einfach zu hoch. Beim Blick aus dem Fenster verloren wir den Horizont immer wieder aus den Augen, da wir in ein Wellental fuhren und schaumgekrönte, windgepeitschte Wellen sich auftürmten. Ab und zu wurden auch unsere Fenster mit Wasser beschüttet, aber wenigstens waren sie wieder offen und nicht mehr mit Metalldeckeln verschlossen. Nur die Sturmvögel hatten ihren Spaß. Wieder waren wir unglaublich müde und schliefen immer wieder ein.
Zu Ians Vortrag am Nachmittag über seinen Aufenthalt auf einer Forschungsstation in der Arktis gingen wir. Das Meer hatte sich etwas beruhigt. Die Wellen waren schätzungsweise nur noch 4 Meter hoch.
Bei Recap und Briefing hielt Hannah eine kleine Zusammenfassung unserer Reise. Danach trat Mike im Kuhkostüm auf und sang den Song  „Antarktic Cow“ von Ian. Das war echt lustig, wenn auch etwas amerikanisch.
Der Abend wurde sehr kurz, denn wir waren von dem stetigen Geschaukel immer noch so müde, dass wir schon bald schliefen.
Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm verzogen, die Sonne lachte uns entgegen und nur ab und zu hob uns eine Welle. Die Seevögel begleiteten uns weiterhin und Chris war schon bald wieder auf der Vogeljagd.
Nach dem Frühstück fing ich an zu packen. Aber es wollte mir so recht keinen Spaß machen. Am liebsten wäre ich gleich auf dem Schiff geblieben und würde wieder auf die Reise gehen. Die Antarktis, aber auch die Menschen um uns herum ließen uns den Abschied schwer nehmen. Irgendwie waren wir wie eine kleine Familie und es fiel uns schwer, wieder nach vorne zu schauen.
Wir besuchten noch Mikes Vortrag über seine Wal-Fotografie. Wow, waren das tolle Bilder. Ich konnte so richtig nachfühlen, als er sein erstes Walerlebnis beschrieb und erzählte, dass er Tränen in den Augen hatte, als er diesen friedlichen Tieren gegenüber war und ihrem Gesang lauschte. Dieses Gefühl brachte er auf seinen Bildern perfekt rüber.
Am Abend war dann Verabschiedung durch den Kapitän. Es gab wieder Sekt und die gesamte Crew wurde noch einmal namentlich genannt und mit Applaus belohnt.
Wir räumen weiter zusammen und gingen später noch zu Ians Konzert in der Observation Lounge. Am Abend präsentiert er uns noch einmal alle frisch komponierten Lieder von New Island, Albatros, Gentoo Penguin, I’m a Copepod und unser Lieblingslied Stumbling to Stromness. Wir verdrücken den dicken Klos in unserem Hals und gingen noch mit in die Poolbar, wo Ian weiter spielte.
So klang der letzte Abend etwas wehmütig aus. Wir gingen außen entlang zu unserem Zimmer und genossen ein letztes Mal das ruhige, fast schon milde Wetter auf der Drake Passage.
Über Nacht näherten wir uns Ushuaia. Am frühen Morgen stellten wir unser Gepäck vor die Tür, wo es Heinzelmännchen abholten.
Es hatte geschneit und die Berge am Beagle Channel schauten frisch gezuckert aus. Der Hafen kam unausweichlich näher. Das letzte Frühstück wollte nicht so recht schmecken, denn irgendetwas saß in meinem Hals. Um 9 Uhr gingen wir von Bord. Unsere Pässe zierten neue Stempel. Nun sitzt ein dicker Pinguin auf einer Seite und auch Südgeorgien und die Falklandinseln haben ihre Spuren in unseren Pässen hinterlassen. Wir verabschiedeten uns noch einmal von allen, drückten und knuddelten einige liebgewordene Crewmitglieder und gingen mit unseren schweren Taschen und hängenden Schultern dem Hafenausgang entgegen.  Ein letzter Blick ging zurück zum Schiff und dem Gewusel davor.

Mit dem Warten auf unser Auto begann eine andere Geschichte, die in Kurzfassung auf einer extra Seite nachgelesen werden kann. Doch unsere Antarktisgeschichte endete hier.
Unsere Reise führte uns über die Falklandinseln nach Südgeorgien und weiter über Elephant Island in die Antarktis. Eigentlich wird die Reise meistens in der umgekehrten Reihenfolge durchgeführt, aber wir fanden es so herum genau richtig. Denn die Landschaft und die Tiere steigerten sich stetig und jeder Platz war auf seine Weise einzigartig. So werden mir immer besonders die Albatrosse der Falklandinseln auf den felsigen Klippen, die Königspinguine und See-Elefanten von Südgeorgien mitsamt der wunderbaren Gletscherlandschaft sowie die Robben und Pinguine in der schneebedeckten Berg- und Gletscherwelt der Antarktis in unvergesslicher Erinnerung bleiben.
Auch einen ganz besonderen Menschen – Sir Ernest Shackleton – lernten wir kennen und bewundern - für seine außergewöhnlichen Führungsqualitäten und das Vermögen in scheinbar aussichtslosen Situationen seine Mannschaft zu motivieren und zu unglaublichen Leistungen anzutreiben.
Anfangs waren wir von der Antarktis etwas enttäuscht, denn wir hatten noch viel mehr Schnee und Eis erwartet, aber die Landschaft steigerte sich mit jeder Anlandung, samt Schnee- und Eismassen, bis wir fast im Packeis waren. Nur die Zeit in der Antarktis war viel zu kurz, auch wenn wir sie mit bis zu drei Ausflügen am Tag voll ausnutzten.
Tiere haben wir leider nicht so viele gesehen, wie wir uns erhofft hatten, denn natürlich ist alles Glückssache und die Anwesenheit der Tiere hängt vorrangig vom Nahrungsangebot ab.
Doch je länger wir daheim sind, desto verklärter wird der Blick. Ich denke, wir hatten mit dem Wetter trotz einiger Regentage sehr viel Glück. Wir konnten jede Anlandung durchführen und mussten nicht einmal eher abbrechen und aufs Schiff zurück.
Eine ganz neue Erfahrung war für uns, dass wir uns um nichts kümmern mussten – und ich muss gestehen – es gefiel uns; sehr sogar. Für alles war bestens gesorgt, an dieser Stelle noch einmal ein dickes Dankeschön an alle fleißigen Mitglieder der Polar Star vor und hinter den Kulissen.

Wir genossen die Zeit in vollen Zügen und eins ist sicher: die Antarktis hat uns nicht zum letzten Mal gesehen. Es stimmt nämlich, dass es neben dem Afrika Virus, dem ja gerade ich voll erlegen bin, auch ein Antarktis Virus gibt! Die von uns besuchten Inseln gehören zu den letzten Naturparadiesen unserer Erde. Nach einstiger Ausbeutung konnte sich die Natur wieder weitestgehend regenerieren. Die Tiere kennen keine Scheu vor uns Menschen und blicken einem mit ihren vertrauensseligen Augen direkt ins Herz. Wir hoffen, dass es für immer so bleibt und dieses Paradies ein geschützter Platz bleibt.

Nur wenige Menschen kommen hier her, trotzdem bleibt es eine Gradwanderung zwischen gesundem Tourismus und dem Schutz unserer Natur. Unsere Natur verdient es geschützt zu werden, denn sie ist einzigartig.

Mit einem Zitat hatte ich den Reisebericht begonnen und mit einem Zitat möchte ich ihn beenden:

„Man stelle sich ein Land vor, so groß wie Australien und Europa zusammen. Sonniger als Kalifornien und doch kälter als das Gefrierfach eines Kühlschranks. Trockener als Arabien und höher als die bergige Schweiz. Leerer als die Sahara. Es gibt nur einen Ort auf der Welt, auf den diese Beschreibung zutrifft. Die Antarktis – dieser fremde, aber wunderschöne Kontinent im untersten Teil der Erde.“

Joseph M. Dukert